Im Widerstand
Drei Tage sind verstrichen, seit der Präsident der Harvard-Universität, Alan M. Garber, der Regierung den Kampf ansagte. Nun spaziert Donald Trump über den Campus in Cambridge. Breitbeinig schreitet er über den Harvard Square, bleibt vor der Memorial Church stehen, zückt seinen goldenen Golfschläger und feuert einen imaginären Ball in die jubelnde Menge. Er trägt über dem Anzug ein purpurrotes Gewand, so wie es sich für einen Monarchen gehört. Nur ist seines innen mit Dollar-Scheinen ausgekleidet. "Jetzt wird zurückgekämpft", erklärt der Alumnus, der als Trump-Double anonym zu bleiben wünscht.
Knapp 200 Studierende, Lehrende und Absolventen haben sich an diesem sonnigen Frühlingstag hier versammelt, um Harvards Widerstand zu feiern. Auf den Stufen der Memorial-Kirche erheben Studierende und namhafte Professoren ihre Stimmen. "Harvard befindet sich in einem existenziellen Kampf. Aber wir werden diesen Kampf gewinnen!", schallt die Stimme von Matthew Ichihashi Potts, Pfarrer der Memorial-Kirche und Professor an der Harvard Divinity School, über den Platz. Pfiffe. Euphorischer Applaus.
Auch andere Universitäten hatten Trump bereits die Stirn geboten. Die Kampfansage Harvards aber wiegt ungleich schwerer. Von der traditionsreichen Speerspitze der Wissenschaft und Innovation erhoffen sich Amerikanerinnen und Amerikaner landesweit und über den Uni-Kosmos hinaus den Anstoß zu einem Aufstand der Courage. Doch ist Harvard dazu imstande? Kann die Universität den Kampf gegen die Trump-Regierung gewinnen?
Anfang April erreichte den Harvard-Präsidenten Garber die erste Liste an Forderungen der Regierung. Angeblicher Anlass war Antisemitismus auf dem Campus, der aus Regierungssicht durch ideologisch motivierte Studierende und Professoren seit der Protestwelle um den Nahostkonflikt herum floriere. Die Universität solle ihn bekämpfen, für den Fall, dass sie dem nicht nachkomme, waren schon in diesem Schreiben Sanktionen angekündigt. Harvard zeigte sich dazu bereit, bat allerdings um Klärung einiger unscharf gehaltener Aspekte. Daraufhin legte die Regierung einen umfassenden, fünfseitigen Maßnahmenkatalog nach, der tief in die Autonomie der Universität eingreift. Was die Universität lehrt, wen sie einstellt oder aufnimmt, welche Meinung als legitim und welche als rechtswidrig gilt und wie weit Studierende und Lehrende in demokratische Prozesse an der Universität involviert werden dürfen, soll in Zukunft "der Zufriedenheit der Regierung entsprechen", heißt es vage in dem Papier. Unzulässiges Verhalten werde im Sinne der Regierungslinie angezeigt und korrigiert: Exmatrikulation, bis zur Festnahme oder Abschiebung – alles ist möglich.
Keine 52 Stunden später veröffentlichte Präsident Alan Garber einen offenen Brief, in dem er die Forderungen der Regierung zurückwies. "Keine Regierung, auch nicht diese, darf einer privaten Universität vorschreiben, was sie zu lehren, wen sie zuzulassen und wen sie einzustellen habe", schreibt er darin. Er verlinkte das Antwortschreiben der Anwaltskanzlei, adressiert an die Regierung. Harvard werde seine Unabhängigkeit nicht aufgeben und auf verfassungsmäßige Rechte nicht verzichten, heißt es darin.
Das Feuer war eröffnet. Seitdem schießt die Trump-Regierung täglich zurück. Noch am selben Tag, einem Montag, fror sie Forschungsmittel von mehr als 2,2 Milliarden Dollar ein. Besonders betroffen sind davon die naturwissenschaftlichen und medizinischen Institute. Bis zu 40 Prozent ihrer Forschung werden durch Bundesmittel finanziert. Zudem deutete Trump an, der Universität die Steuerbefreiung zu entziehen. Nun habe sich gezeigt, dass Harvard keine Bildungsinstitution, sondern eine politische Organisation sei, begründet er die Drohung in den sozialen Medien. Am Donnerstag, dem Tag der kleinen Widerstandsfeier auf dem Campus, wird publik, dass Harvard die Lizenz für Austauschprogramme aberkannt werden soll, internationale Studierende dürften fortan nicht mehr zugelassen werden. Freitag folgt die Aufforderung, alle finanziellen Zuwendungen aus dem Ausland zur Überprüfung offenzulegen.
Mit gutem Blick auf die gefüllte Kirchtreppe und die Redner stehen am Donnerstag zwei Bachelorstudierende der Biologie und Politik am Rand der Veranstaltung. "Die Bewegung inspiriert, aber wir sind alle sehr nervös", sagt der Politikstudent. "Unsere internationalen Freunde leben in totaler Angst", sagt die Biologiestudentin. Ihre Namen wollen sie nicht nennen. Viele Studierende erzählen, ihre Familien, Freunde und Professoren würden ihnen derzeit davon abraten, sich öffentlich zu äußern.
Die E-Mail von Garber habe Erleichterung ausgelöst. "Das war jetzt eine klare Kante, aber was daraus wird, bleibt ungewiss", sagt der Politikstudent. "Wie der Widerstand abseits des juristischen Kampfes aussieht, weiß hier niemand." Dass Garber sich für den Aufstand entschied, war aus Sicht aller, die sich auf dem Campus äußern, unvermeidlich. Die Forderungen hätten das Ende bedeutet für alles, wofür die Universität steht. Der Physiker John P. Holdren etwa sagt: "Es wird sicher ein langer und teurer Kampf, aber es ist der richtige Kampf."