"Wir wissen, was die Theorie bedeutet"
Professor Vormann, warum sind Sie von der Wirtschaft in die Wissenschaft gewechselt?
Ich wollte das Wissen aus 15 Jahren Arbeit in der Wirtschaft weitergeben. Und ich muss sagen, das war die beste berufliche Entscheidung meines Lebens.
Was haben Sie in den 15 Jahren Wirtschaft gemacht?
Nach meiner Ausbildung zum Bankkaufmann habe ich in Bamberg Europäische Wirtschaft studiert, also einen international ausgerichteten BWL-Studiengang. In Bamberg wurde ich auch im Bereich Human Resources promoviert. Anschließend war ich immer im Personalbereich tätig – in vielen Unternehmen in sehr unterschiedlichen Funktionen. Klassische HR-Arbeit, außerdem HR-IT-Projekte, Personalmanagement, Controlling und Vergütungssysteme.
Was macht die Arbeit als Professor für Sie aus?
Der Reiz liegt in der enormen Freiheit und in dem Gestaltungsspielraum. Sehr viele Schwerpunkte können wir selbst legen, das habe ich noch in keinem anderen Job erlebt. Und ich liebe es, zu lernen. Ich habe in meinem Berufsleben selten so viel gelernt wie in den drei Jahren an der FH Dortmund. Darüber hinaus sind wir verbeamtet, also die ideale Kombination.
Wie erleben Sie die Fachhochschule Dortmund?
Insbesondere schätze ich den guten Zusammenhalt. Sowohl im Fachbereich als auch darüber hinaus. Mit Kolleg*innen aus anderen Fachgebieten entdeckt man plötzlich Überschneidungen, weil man zufällig in einer Veranstaltung nebeneinander sitzt oder sich in der Mensa begegnet. Das ist immer anregend und kann zu fruchtbaren Kooperationen führen.
Hat Ihnen die FH Dortmund den Einstieg leicht gemacht?
Mein Einstieg war in der Corona-Hochphase, in der sehr wenig vor Ort stattgefunden hat. Aber die FH hat vieles unternommen, um mir den Einstieg zu erleichtern. Hier im Fachbereich mit einem persönlichen Mentoring. Darüber hinaus bekam ich sehr schnell Kontakt zu Kolleg*innen aus der Verwaltung, sei es aus dem Personalbereich, dem Marketing oder der Einheit, die sich mit der Weiterentwicklung der Lehre beschäftigt.
Wie motivieren Sie Ihre Studierenden, wie binden Sie sie ein?
Die Vorlesungen und Seminare sind sehr unterschiedlich. Mal sind es 100 Erstsemester, mal sind es 40 Studierende im Master. Ich versuche immer, meine eigene Praxiserfahrung einzubringen. Wenn ich Personalmanagement im Studiengang Wirtschaftsinformatik lehre, lasse ich viel aus meinen eigenen HR-IT-Projekten einfließen. Wenn ich im Studiengang Finance, Accounting, Controlling, Taxation lehre, dann stelle ich die zahlenlastigen Themen und HR-Controlling in den Vordergrund.
Ansonsten versuche ich, möglichst nahbar zu sein. Einen halbwegs lockeren Umgangston zu pflegen. Ich hole mir Feedback von den studentischen Hilfskräften, zeige ihnen meine Vorlesungsunterlagen und Skripte frage, würdest du das so verstehen oder wäre es anders besser?
Ihre Praxiserfahrung hilft dabei?
Absolut. Wir FH-Professor*innen wissen aus der Praxis, was die Theorie bedeutet. Das kann ich aus meiner eigenen Unizeit nicht von allen Profs sagen.
Sie laden regelmäßig Gastredner*innen in Ihre Vorlesungen ein. Warum?
Es macht einen großen Unterschied, wenn die Studierenden die Themen noch mal von einer zweiten Person mit einer anderen Perspektive hören, vor allem, wenn diese Person aktuell aus der Praxis berichtet. Denn meine eigene Praxis liegt ja immer weiter zurück. Viele meiner Kontakte aus Unternehmen freuen sich, wenn sie mal wieder in die Hochschule kommen können und sagen, hey wow, schöner Flashback, ich bin wieder im Hörsaal und diesmal stehe ich sogar vorne. Das ist eine Win-Win-Situation und für Unternehmen immer auch eine Möglichkeit sich zu präsentieren, gute Praktikant*innen, Werkstudent*innen und später Mitarbeiterinnen zu gewinnen.
Wo liegt Ihr Forschungsschwerpunkt?
Vor meiner Professur war ich zuletzt Head of Compensation, also Leiter für Vergütungssysteme, und die Themen, die mich da bewegt haben, die kann ich jetzt erforschen. Zum Beispiel die hochaktuelle Frage, was Gehaltstransparenz mit Mitarbeitenden macht, weil wir ja ab 2026 die europäische Entgelttransparenzrichtlinie auch in Deutschland umsetzen müssen. Es ist sehr spannend, wie Menschen darauf reagieren, wenn sie plötzlich sehen, wie sie im Vergleich zu ihren Kolleg*innen vergütet werden. Daneben interessieren mich auch die Themen Recruiting und Personalauswahl sowie der Einsatz von Technologie in HR.
Blicken Sie in die Zukunft: Wie wird die Lehre sich verändern?
Künstliche Intelligenz wird uns weiter beschäftigen. Zurzeit generieren wir mit KI zum Beispiel realistische Szenarien als sehr praxisnahe Aufgaben für die Studierenden, das klappt schon jetzt sehr gut.
In letzter Zeit habe ich auch viel über Flipped Classrooms nachgedacht. Dieses Konzept sieht vor, dass die Studierenden sich zunächst im Selbststudium mit einem Thema beschäftigen und es dann im Seminar in die Diskussion geht. Der Gedanke ist, dass es vielleicht sinnvoller ist, die Arbeitszeit des Profs nicht zur reinen Wissensvermittlung einzusetzen, sondern um die Rückfragen der Studierenden zu klären und in die Tiefe zu gehen.
Wohin wird sich das Fachgebiet Human Resources Management entwickeln?
Seine Bedeutung wird weiter steigen. Was früher als reine Personaladministration und Verwaltung verstanden wurde, gilt nun als strategischer Einflussfaktor für den Unternehmenserfolg, gerade im Hinblick auf den steigenden Fachkräftemangel. Jeder und jede Studierende der Wirtschaftswissenschaften muss sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, auch wenn er oder sie später nicht im Personalmanagement arbeiten will. Viele streben Führungspositionen an. Dafür müssen sie wissen, wie sie Menschen motivieren können.