Raumschiff Deutschland
Es gibt da dieses liebevoll komponierte Instagram-Video von Markus Söder aus dem vergangenen Herbst: Im weißen Raumfahrtanzug schwebt eine Person mit aufmontiertem Söder-Gesicht über einen fremden Planeten. Zu hymnischer Weltraummusik ist die Stimme des CSU-Chefs zu hören: Seit seiner Kindheit fasziniere ihn die Frage, ob es "Bausteine des Lebens" außerhalb der Erde gebe. Deshalb brauche es mehr Weltraummissionen, zum Mars, vielleicht auch zum Jupiter: "Daran möchte ich mich gern beteiligen."
Söder versucht diese Leidenschaft fürs All schon lange in konkrete Politik zu verwandeln. Als er 2018 eine bayerische Raumfahrtoffensive unter dem Titel "Bavaria One" vorstellte, wurde im Rest des Landes eher gewitzelt. Mit dem Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung hat es die Weltraumbegeisterung des CSU-Chefs nun nach Berlin geschafft: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik soll es ein eigenes Bundesministerium für Raumfahrt geben, oder korrekt: für Forschung, Technologie und Raumfahrt.
Die CSU, so ist zu hören, hatte darauf gepocht, sie wird das neue Ministerium auch führen. Darüber wird nun freilich wieder gespottet: Haha, der Söder! Aber ist das Ganze wirklich bloß eine PR-Nummer? Möchte Söder lediglich ein wenig futuristische Aufbruchsstimmung in die Bundesregierung holen, dem Marsenthusiasten Elon Musk nacheifern? Oder hat die Idee eines eigenen Ministeriums für Raumfahrt, das der CSU-Chef mit seiner Vertrauten Dorothee Bär besetzen könnte, vielleicht doch einen ernsten Hintergrund?
Sebastian Roloff plädiert klar für Letzteres. "Das ist keine CSU-Spielerei", sagt der Bundestagsabgeordnete der SPD aus München. Er setzt sich schon lange für eine bessere Raumfahrtpolitik in Deutschland ein: "Es geht dabei nicht um durchgeknallte Milliardäre, die zum Mond fliegen wollen. Wir alle sind im Alltag auf Raumfahrt angewiesen: in der Verteidigung, der Kommunikation, beim Klimaschutz."
Eine halbe Seite für den Aufbruch ins All
Eine knappe halbe Seite befasst sich im Koalitionsvertrag mit Politik für den Orbit, Roloff hat sie mit ausgehandelt. Das sei weitestgehend konfliktfrei gelaufen, sagt er: "Es ist Konsens, dass wir uns in der Raumfahrt besser aufstellen müssen. Und Deutschland wird davon nicht nur strategisch, sondern auch finanziell profitieren."
Was die Entscheidung für ein eigenes Ministerium sicher beeinflusst hat: Die Raumfahrt leidet stark unter den nationalistischen Tendenzen der Regierung von US-Präsident Donald Trump. Bisher lebte die Branche wie nur wenige andere von grenzübergreifender Kooperation. Die Internationale Raumstation ISS zum Beispiel, seit 26 Jahren im Orbit, ist ein Gemeinschaftsprojekt der USA, Russland, Europa, Japan und Kanada.
Europa spielte bisher die Rolle eines Juniorpartners. Zur ISS etwa steuerte die Europäische Weltraumorganisation Esa das Forschungsmodul Columbus und einen Frachttransporter bei. Dafür darf alle paar Jahre jemand aus Europa auf der Raumstation herumschweben und Experimente durchführen. Eine Win-win-Situation: Der Deal brachte nicht nur schöne Videos von Matthias Maurer und Alexander Gerst im All. Sondern auch Arbeitsplätze und Aufträge für Firmen in Deutschland und Resteuropa.
Blöd nur, wenn der Seniorpartner sich künftig etwas anderes vorstellt. Trump und sein oberster Berater Elon Musk drohen damit, internationale Kooperationen zu beenden – und Europa in Sachen Raumfahrt dumm dastehen zu lassen.
Europa startete nämlich zuletzt auch viele seiner wichtigsten eigenen Missionen – Esa-Weltraumteleskope, EU-Navigationssatelliten, Aufklärungssatelliten der Bundeswehr – mit den Raketen von Musks Weltraumfirma SpaceX ins All. Die Begründung: Der umstrittene Milliardär bietet einfach die zuverlässigste Technik an, zu unschlagbaren Preisen.