Wird Männerhass der neue Feminismus?: So kann Gleichberechtigung nicht erreicht werden

Frauen kämpfen. Das ist bitter nötig, jetzt, wo der „Echte-Männer-sind-rechts“-AfDler Maximilian Krah im höchsten Haus des Landes sitzt. Wo der Frauenhasser und mutmaßliche Menschenhändler Andrew Tate wieder in die USA einreisen darf und die Rückkehr „der guten alten Zeiten“ bejubelt.

Frauen sind wütend, und diese Wut ist berechtigt. Wut gibt Kraft. Frauen (und einige Männer) waren und sind wütend genug, um jahrzehntelang gegen das Patriarchat zu kämpfen. Wut treibt die Frauenrechtsbewegung voran. Wut erkämpfte das Wahlrecht für Frauen. Wut enttabuisiert sexuelle Gewalt. Ich bin wütend, dass die Arbeitswelt Mütter zwischen Karriere und Familie zerreißt. Dass Medikamente vor allem an Männern getestet werden. Dass mir in der Schule suggeriert wurde, Mädchen könnten keine Physik. Ich bin wütend, weil jede Frau, die ich kenne, sexuell belästigt und begrapscht wurde – und wird.

Doch was folgt daraus, wenn der Kampf vergeblich scheint? Einige Frauen versuchen es mit der Strategie der „Objektifizierung“. Sie kategorisieren nach Penislänge oder Portemonnaie-Dicke. Männer sind für sie entweder „Stecher“ oder „Zahler“. Sie ermächtigen sich selbst, indem sie Männer ausnutzen und vorführen. Das ist eine Spiegelung dessen, was Männer schon immer mit Frauen getan haben. Wenn das aus Wut geschieht, weil sie selbst jahrelang belästigt wurden, kann ich das ehrlicherweise nachvollziehen.

Farangies Ghafoor ist Redakteurin in der Wissenschaft. Sie überdenkt gesellschaftliche Dynamiken gerne auf einer psychologischen Ebene. Farangies findet es auch falsch, dass es Männer gibt, die gegen das Feindbild „Frau“ kämpfen.

Gewinnt man so Männer für Gleichberechtigung? Studien zeigen: Wer sich bedroht fühlt, ist empfänglicher für extreme Ideologien. Extreme Positionen überzeugen das Gegenüber selten – sie verhärten Überzeugungen nur. Und auch wenn Männer noch immer viele Vorteile genießen, kann es dem Einzelnen dreckig gehen. Wer sich abgehängt fühlt, ist anfällig für Narrative, die ihm „die Schuldigen“ präsentieren. Wer dann noch „Männerhass“ erlebt, wird noch empfänglicher für die Idee, dass Frauen die Schuldigen für das persönliche Elend seien.

Und was passiert bei den Frauen, die Männer nur noch verachten? Der Gegner wird zur Karikatur. Feindbilder stabilisieren das eigene Weltbild, vereinfachen Debatten, aber verhindern Veränderung. Wer Rache übt, bleibt in seiner Wut gefangen. Wut gibt einen kurzen Dopamin-Kick, doch langfristig bleibt Unzufriedenheit. Wer zynisch ist, schottet sich ab, hat schlechtere soziale Beziehungen, ist gesundheitlich stärker belastet. Man bestätigt sich selbst, aber bewegt sich nicht mehr.

Wie geht es konstruktiv? Die Forschung zeigt konsistent: Gewaltfreie, respektvolle Strategien sind langfristig effektiver. Radikale Bewegungen haben Fortschritt gebracht, aber nie allein. Die Suffragetten kämpften mit Härte, doch es waren auch gemäßigte Frauenrechtlerinnen, die den Fortschritt in Gesetze übersetzten. Radikalität kann ein Weckruf sein. Doch wenn sie Männer nur als Feindbild zeichnet, führt sie zur Abschottung.

Feminismus, der Gleichberechtigung will, darf sich nicht an Feindbildern abarbeiten.

Farangies Ghafoor

Es geht nicht darum, stillzuhalten oder sich zu mäßigen. Frauen sollten mit Härte auf Härte reagieren. Und sie müssen auch keine Brücken zu jenen bauen, die gar nicht solidarisch sein wollen mit ihnen. Nur: Wer sich in Feindbildern verliert, verliert auch den Kampf. Es gibt auch Männer, die es erschreckt, wie gegen feministischen Fortschritt vorgegangen wird. Frauen könnten in Männern daher auch Verbündete finden. Ja, sie müssen es sogar.

Zugegeben, manchmal sehne ich mich auch nach einer Gesellschaft ohne Männer. Wenn sich das Miteinander dann nur annähernd so anfühlt wie die Taylor-Swift-Konzerte, auf denen ich war … wo bitte kann ich unterschreiben?

Da das aber weder realistisch noch mehrheitsfähig ist, geht es nur mit einem konstruktiven Dialog. Heuchlerisch wäre es, so zu tun, als könnte echte Gleichberechtigung schmerzfrei gelingen. Feminismus konfrontiert Männer notgedrungen mit schmerzhaften Fragen.

Natürlich tut es weh, ganz persönlich anzuerkennen, dass man – ob bewusst oder unbewusst – von einer Ordnung profitiert, in der es immer nach Geschlecht ging. Natürlich verlangt es Männern viel ab. Natürlich ist es unbequem, sich einzugestehen, dass man Teil eines Systems ist, das andere benachteiligt. Dass die eigenen Erfolge womöglich nicht nur darauf beruhen, dass man sich selbst so dolle angestrengt hat.

Veränderung ist selten sanft. Frauen müssen kämpfen. Aber Frauen und Männer und alle anderen, die wirkliche Gleichberechtigung erzielen wollen, sollten sich nicht an Feindbildern abarbeiten müssen.