Wenn die Gene mitwählen: Vererben Eltern ihre politische Präferenz?
Auch der Erbonkel hat gewählt, so wie 82,5 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland. Aber warum machen Menschen bei ihr Kreuz bei der einen und nicht bei der anderen Partei ihr Kreuz? Die grenzdebilen Wahlplakate können es nicht gewesen sein. Die Versprechungen in Parteiprogrammen oder Wahlkampfarenen? Die Bildung? Das Einkommen? Die Gene werden ja wohl kein Rolle spielen – oder etwa doch?
Die Methode der Wahl, um den Einfluss von Erbfaktoren auf ein menschliches Verhalten oder eine Eigenschaft abzuschätzen, sind Zwillingsstudien. Sie wachsen in der Regel unter gleichen Umweltbedingungen auf, allerdings sind eineiige Zwillinge genetisch identisch, während zweieiige nur rund die Hälfte ihres Erbguts gemein haben. Sind sich eineiige Zwillinge in einer Eigenschaft oder einem Verhalten also statistisch signifikant ähnlicher als zweieiige, kann dafür nur das Erbmaterial die Ursache sein, so die Annahme.
Für die Körpergröße ergibt sich aus solchen Studien eine hohe Erblichkeit von 86 Prozent. Das heißt, 86 Prozent der Größenunterschiede zwischen Menschen sind auf genetische und 14 auf Umwelteinflüsse zurückzuführen. Und auch das Wahlverhalten von Menschen hat eine erstaunlich hohe Erblichkeit, zeigen inzwischen diverse Studien.
Der Erbonkel

© Lisa Rock für den Tagesspiegel
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne des Wissenschaftsjournalisten und Genetikers Sascha Karberg.
So zeigte eine Analyse des Wahlverhaltens von 326 eineiigen und 196 zweieiigen Zwillingen in Kalifornien, dass ihre Erbanlagen zu etwa 60 Prozent beeinflussen, ob sie zur Wahl gehen oder nicht. Auch politisch aktiv zu sein oder eher nicht, wird offenbar von den Genvarianten mitbestimmt, die man von seinen Eltern geerbt hat: 60 Prozent Erblichkeit. Und 2015 ergab die Auswertung des Wahlverhaltens von 2355 Zwillingen in Großbritannien, dass die Entscheidung, die konservativen Torys zu wählen, zu 57 Prozent erblich beeinflusst ist, bei Labour und den Grünen waren es 48 Prozent.
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Das heißt aber nicht, dass Eltern ihren Kindern über die Gene oder sonstwie vorschreiben, welche Partei sie wählen oder welche politische Überzeugung sie vertreten werden, sobald erwachsen. Das Wahlverhalten ist vielmehr Ausdruck der Persönlichkeit, die wesentlich durch Erziehung und Bildung, also Umwelteinflüsse, aber eben auch durch die genetische Konstitution geprägt wird. Denn es sind nun mal die Gene, die das Gehirn formen – die elementare Grundlage für Persönlichkeit und somit jede Wahlentscheidung.
Wie diese biologische Kapazität am Ende genutzt wird, ob sie trainiert, ernährt und für Sinnvolles eingesetzt wird, dafür ist jeder ganz für sich allein verantwortlich. Mensch sein heißt, falls nötig über seinen inneren Neandertaler hinauswachsen zu können.
Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.