Null Komma null, und trotzdem gut gelaunt
Robert Habeck zeigt sich gut gelaunt an diesem Donnerstag im Saal der Bundespressekonferenz. Als er wie schon bei früheren Auftritten ein Plakat hervorholt, um die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung zu erläutern, sorgt der noch amtierende Wirtschaftsminister für lautes Gelächter. Wieder so ein schnödes Pappschild mit Zitterlinien drauf, das in den hinteren Reihen niemand lesen kann.
Dabei ist der Ausblick für die deutsche Wirtschaft ziemlich ernüchternd. Nach zwei Jahren der Rezession erwartet die Regierung für 2025 kein Wachstum mehr: null Komma null. Die Zollpolitik von Donald Trump trifft die exportorientierte deutsche Wirtschaft hart. Im Januar hatte die Regierung noch mit einem Zuwachs von 0,3 Prozent gerechnet, im vergangenen Herbst lag die Prognose noch bei 1,1 Prozent. Seinen letzten großen Auftritt als Wirtschaftsminister hat sich Habeck wohl anders vorgestellt.
Die deutsche Wirtschaft könnte damit das dritte Jahr in Folge nicht wachsen. Das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie. Bereits am Dienstag hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) seinen Ausblick korrigiert und Deutschland ebenfalls eine Stagnation der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr vorhergesagt. Im Ranking der größten Industrienationen ist Deutschland schon wieder Schlusslicht beim Wachstum und das einzige Land, dessen Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich nicht zulegen wird.
Schwarz-Rot muss jetzt liefern
Wie Friedrich Merz nach seiner Wahl zum Bundeskanzler Anfang Mai schnell die Stimmung
im Land und in den Unternehmen heben will, ist angesichts dieser Aussichten kaum vorstellbar. Die
viel beschworene Wirtschaftswende, sie rückt weiter in die Ferne. Wenn US-Präsident Donald Trump den
Handelsstreit mit der EU wieder eskaliert, könnte die deutsche Wirtschaft 2025 sogar
erneut schrumpfen. Es wäre ein deutlicher Stimmungskiller.
Und dennoch gibt es Hoffnung für die deutsche Wirtschaft – aus mehreren Gründen. Da sind zum einen die geplanten Schuldenpakete von Union und SPD. In der Vergangenheit haben unter anderem gesunkene Bauinvestitionen das Wirtschaftswachstum gebremst. Mit dem geplanten Sondervermögen von 500 Milliarden Euro könnte sich das künftig ändern. Wird das Geld klug verwendet, dürften die Investitionen ab dem kommenden Jahr das Wirtschaftswachstum anregen.
Auch die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben dürfte sich positiv auswirken. Schon jetzt zeigen sich in den norddeutschen Bundesländern, wo die Rüstungsindustrie stärker vertreten ist, dem Münchner ifo Institut zufolge Wachstumseffekte. Zudem dürfen sich auch die Bundesländer künftig wieder etwas stärker verschulden. Für 2026 rechnet die Bundesregierung deshalb mit einem Wachstum von 1,0 Prozent. Ähnlich sehen die Prognosen des IWF und deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute aus.
Potenzialwachstum muss steigen
Für eine echte Wende werden die Schuldenpakete allein jedoch
nicht ausreichen. Dafür sind strukturelle Veränderungen notwendig. Das haben
zum Glück auch Union und SPD erkannt. Unter anderem die geplanten Investitionsanreize
durch verbesserte Abschreibungsregeln, die Senkung der Körperschaftsteuer und
Energiekosten für Unternehmen sowie die Vorhaben zum Bürokratieabbau weisen in
die richtige Richtung. Vieles davon findet übrigens auch Habeck gut. Steht die Regierung, muss die neue Koalition zügig beweisen,
dass sie ihre Versprechen auch umsetzen kann. Zumal vieles im Koalitionsvertrag
noch vage formuliert ist und ein genereller Finanzierungsvorbehalt gilt.
Entscheidend ist, dass es Schwarz-Rot gelingt, das sogenannte Potenzialwachstum zu steigern. Die Kennzahl beschreibt, wie stark die Wirtschaft zulegen kann, wenn sie normal ausgelastet ist. Dieser Wert aber ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken, wie Habeck auf seinem Pappchart zeigt, von mehr als 1,5 auf unter 0,5 Prozent. Das SPD-nahe Forschungsinstitut Dezernat Zukunft schätzt, dass das Potenzialwachstum durch die Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag bis 2029 um 0,4 Prozentpunkte gesteigert werden könnte. Im Koalitionsvertrag gibt Schwarz-Rot jedoch ein Potenzialwachstum von "deutlich über einem Prozent" als Ziel vor. Friedrich Merz spricht sogar von zwei Prozent. Das allerdings ist enorm ambitioniert. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die neue Regierung mehr liefern als bislang geplant.
Vor allem der zunehmende Mangel an Arbeitskräften durch die Alterung der Gesellschaft wird von Schwarz-Rot bislang nicht ausreichend adressiert und schwächt das Potenzialwachstum. Von der geplanten Aktivrente und der Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen erwarten Ökonomen keinen nennenswerten Beitrag. Zugleich will die SPD am gesetzlich festgelegten Renteneintrittsalter festhalten. Das belastet nicht nur den Bundeshaushalt stark, sondern auch den Arbeitsmarkt und bremst das Wirtschaftswachstum. Der Trend zu Teilzeit verschärft das Problem. Bleibt die Hoffnung, dass es der neuen Regierung gelingt, die Zuwanderung von Fachkräften zu beschleunigen.