Gütesiegel: schlachterprobt
Nach all den schlechten Nachrichten, die auf die Ukraine in den vergangenen Wochen einprasselten, mit dem Hin und Her um die US-Militärhilfe, die Geheimdienstinformationen aus den Vereinigten Staaten, mit dem Verbot, amerikanische Satellitenbilder zu nutzen, dazu das Vorrücken russischer Truppen in der Region Kursk und in der Ostukraine, sendet immerhin Europa ein Signal der Hoffnung. 26 EU-Staaten, nur Ungarn scherte wieder einmal aus, erklärten Ende vergangener Woche, dass sie die Ukraine weiterhin im Krieg gegen Russland unterstützen werden – auch mit Waffen.
Der Bedarf deren Streitkräfte ist auch im vierten Kriegsjahr immens. Die Ukraine ist nach der jüngsten Studie des schwedischen Friedensforschungsinstitut
Sipri aus Stockholm mittlerweile der größte Rüstungsimporteur der Welt. Die Einfuhren von Waffen,
Material und Munition stiegen demnach im Vergleich zwischen 2020 und 2024 mit dem vorherigen Fünfjahreszeitraum um fast das Hundertfache. Die Ukraine gibt mittlerweile mehr als die Hälfte seiner Staatsausgaben
für das Militär aus.
Seit der russischen Invasion sind die USA der wichtigste Lieferant von Kriegstechnik. Trumps unberechenbare Außenpolitik zeigt, wie wichtig es für das von Russland angegriffene Land ist, die Abhängigkeit von Waffenlieferungen zu reduzieren.
300.000 Menschen in der Rüstungsindustrie
Das hat auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erkannt. Zwar kauft seine Regierung immer noch die meisten Waffen im Ausland. Dennoch konnten ukrainische Waffenfirmen ihre Produktionskapazitäten ausbauen. Mehr als 500 Rüstungsproduzenten beschäftigen dort gut 300.000 Menschen – mitten im Krieg. Tendenz steigend. Selenskyj steckte bis 2024 mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar in die heimische Rüstungsindustrie.
Bei deren Ausbau kann Europa, vor allem Deutschland, unterstützen. Bereits jetzt sind mehrere deutsche Rüstungsunternehmen in dem überfallenen Land aktiv und helfen vor Ort dabei, die Waffenproduktion wieder hochzufahren. Vor dem russischen Überfall am 24. Februar 2022 war die Ukraine einer der größten Rüstungshersteller Europas. Dann zerstörten Raketen, Drohnen, Bomben und Artilleriegeschosse viele Firmen. Nach einem Bericht der Kiewer Wirtschaftsschule erlitten allein der Motorenhersteller Motor Sitsch und der Flugzeugbauer Antonov Schäden in Höhe von 601 Millionen Dollar.
Im Krieg haben ukrainische Unternehmen die Fertigung von Drohnen und Munition stark ausgebaut. Auch dabei helfen deutsche Firmen. Selbstlos gehen sie dabei nicht vor. Schließlich erhalten viele von ihnen Unterstützung der Regierungen ihrer Heimatländer, die Mittel für die Kooperationen bereitstellen oder den Ausbau der Kapazität mit großen Bestellungen absichern. Zudem werben Waffenhersteller auf Rüstungsmessen damit, dass ihre Produkte sich im Krieg in der Ukraine bewährt hätten. "Battle proven" – "schlachterprobt", dieses Siegel hilft im Vertrieb.
Rheinmetall einer der Pioniere
"Immer mehr europäische Rüstungsunternehmen haben begonnen, entweder eigene Tochtergesellschaften in der Ukraine zu gründen oder Joint Ventures mit dem staatlichen Mischkonzern Ukrainian Defense Industry, ehemals UkrOboronProm, zu gründen", stellt das International Institute for Strategic Studies aus London fest. Zu den ersten Unternehmen, die in der Ukraine tätig wurden, zählt der britische Rüstungsriese BAE Systems. 2023 gründete der Konzern eine ukrainische Firma.
Aus Deutschland war Rheinmetall einer der Pioniere. Der größte Rüstungskonzern der Bundesrepublik bildete 2023 ein Joint Ventures mit der Ukrainian Defense Industry, das Fahrzeuge und Waffen der ukrainischen Streitkräfte warten, reparieren und überholen sollte, etwa den Schützenpanzer Marder. Rheinmetall hat außerdem den Auftrag erhalten, eine Munitionsfabrik in der Ukraine zu eröffnen. Aber der Konzern will dort bald auch mit der Produktion eines Schützenpanzers beginnen, der Regierung in Kyjiw hat er angeboten, dort den modernen Kampfpanzer Panther zu fertigen. Auch der Drohnenhersteller Quantum Systems hat bereits Reparatur- und Produktionsstätten in der Ukraine aufgebaut.