Das eigentliche Problem sind die verdeckten Schulden

Union und SPD wollen für die neue Bundesregierung ein großes Sondervermögen für Infrastruktur auflegen und Ausnahmen von der Schuldenbremse für Verteidigung schaffen. Der Staat braucht mehr Geld und muss dringend die notwendigen Investitionen tätigen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass eine grundlegende Reform der Schuldenbremse ausbleibt. Denn das Resultat wäre, dass unsere Gesellschaft weiterhin zulasten der jungen und künftigen Generationen lebt.

Die Befürworter der Schuldenbremse haben recht: Die Generation der Babyboomer darf jungen und künftigen Generationen nicht immer mehr Schulden hinterlassen. Wo sie jedoch falsch liegen: Das Problem ist nicht die explizite Staatsverschuldung in Form von Staatsanleihen und Krediten, sondern die riesigen und wachsenden impliziten Schulden und Verpflichtungen, die sich die Babyboomer für ihre künftigen Sozialleistungen und den Verbrauch knapper Ressourcen auf Kosten der jungen Generation gönnen. Wir brauchen daher dringend eine neue Schuldenbremse, die das leistet, was die alte Schuldenbremse nicht leistet: Zukünftige Generationen schützen sowie zwischen Jung und Alt ausgleichen. 

Die Obsession der Deutschen mit Schulden und der Schuldenbremse hat zuletzt immer absurdere Züge angenommen. Trotz großer Krisen und gigantischer Herausforderungen verweigerte sich eine Mehrheit in Politik und Gesellschaft, der Realität ins Auge zu schauen. Wir brauchen in den nächsten Jahren kontinuierlich mehr Geld für Verteidigung, wenn wir Europa vor Putin schützen und in Zukunft in Frieden leben wollen. Das nun geplante Finanzpaket wird sich kurzfristig positiv auf die Wirtschaft auswirken, trotzdem ist es nicht die beste Lösung. Denn Deutschland wird in den kommenden Jahrzehnten noch mehr Geld benötigen.

Wir müssen Klima und Umwelt schützen, um noch viel größere Katastrophen in der Zukunft zu verhindern. Und wir müssen in Bildung, Innovation und Infrastruktur investieren, um unseren wirtschaftlichen Wohlstand, gute Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Gigantische Versprechungen an die Babyboomer

Im Bundeswahlkampf haben die Parteien allerdings genau das Gegenteil versprochen: Sie wollten Steuersenkungen für Spitzenverdienende und höhere Ausgaben für die Sozialsysteme — von beidem werden vor allem die Babyboomer profitieren. Zusammen mit der geltenden Schuldenbremse bedeutet dies: Der Staat hat nicht mehr, sondern weniger Geld für Investitionen in Verteidigung, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zur Verfügung. 

Dabei ist die explizite Staatsverschuldung – also das Verhältnis der Schulden aus Staatsanleihen und Krediten zur Wirtschaftsleistung – von gut 64 Prozent das deutlich geringere Problem. Zumal kaum ein Industrieland eine geringere Staatsschuldenquote hat als Deutschland. Das eigentliche Problem sind die impliziten Schulden oder auch verdeckten Schulden in Form von Zusagen der Sozialsysteme, vor allem an die Babyboomer. In den Bereichen Rente, Gesundheit und Pflege hat die deutsche Politik, vor allem der Generation der Babyboomer, so gigantische Versprechungen gemacht, dass die Staatsausgaben und die Beiträge der Erwerbstätigen in den nächsten Jahren explodieren werden. Im Vergleich zu den expliziten Schulden in Höhe von etwa 64 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung können die impliziten Schulden, je nach Annahme und Art der Berechnung, bereits heute bei über 300 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung liegen, wie Schätzungen von Instituten von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern zeigen.