Flughäfen und ÖPNV sind zentral: Verdi verschärft Streiks im öffentlichen Dienst

Wer zwischen Aschermittwoch und dem 14. März einen Flug gebucht hat, muss mit Unannehmlichkeiten rechnen. Denn in den Tagen vor der entscheidenden Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst erhöht Verdi mit Warnstreiks den Druck auf die Arbeitgeber. Der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) befürchtet Ausfälle an den Flughäfen. Verdi verhandelt mit dem BDLS über Mehrarbeitszuschläge für rund 25.000 Beschäftigte, die Passagiere und Gepäck an den Flughäfen kontrollieren.

In der vergangenen Woche waren die Gespräche ergebnislos geblieben, man vertagte sich. Ebenfalls in der vergangenen Woche hatte Verdi im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes Bodendienstleister an den Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf und Hamburg streiken lassen. Zusammen mit Warnstreiks der BDLS-Beschäftigten wären noch mehr Flughäfen und Passagiere betroffen. Allerdings erst nach Aschermittwoch.

Streikaktionen an den tollen Tagen kommen nicht infrage, das Verständnis der Öffentlichkeit für die Anliegen der Gewerkschaften beziehungsweise der Arbeitnehmer könnte leiden. Das gilt insbesondere für Ausstände im Verkehr mit direkten Auswirkungen auf sehr viele Menschen.

Doch gerade diese Wirkung und positiven Effekte bei der Mitgliederakquise lassen Verdi vorzugsweise diesen Bereich bestreiken. Mit der größtmöglichen Wucht im vorherigen Tarifkonflikt: Am 27. März 2023 legte Verdi gemeinsam mit der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG den kompletten öffentlichen Verkehr still.

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So weit wird es in diesem Frühjahr nicht kommen, da sich die EVG bereits vor einigen Wochen und ohne Streiks mit der Bahn auf einen neuen Tarifvertrag verständigt hat. Verdi muss sich also auf den Nahverkehr mit Bussen, Straßen- und U-Bahnen sowie die Flughäfen konzentrieren.

Streiktag im Nahverkehr

Einen Vorgeschmack darauf gab es am 21. Februar, als der öffentliche Personennahverkehr in sechs Bundesländern sowie die Berliner BVG bestreikt wurden. Ver- und Entsorgungsbetriebe waren ebenfalls schon bundesweit betroffen, doch wenn Stadtwerke, Wasserversorger oder Müllverbrennungsanlagen kurzfristig beeinträchtigt sind, merken die Bürger und Verbraucher das in der Regel kaum. Auch die für den 6. März Donnerstag angekündigten Streiks in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind nicht so wirkungsvolle wie Verkehrsstreiks.

2,5
Millionen Beschäftigte haben die Kommunen.

Verdi fordert in den Tarifverhandlungen mit den kommunalen Arbeitgebern und dem Bund für mehr als drei Millionen Angestellte, Beamte und Pensionäre acht Prozent mehr Geld, mindestens aber 350 Euro im Monat mehr sowie höhere Zuschläge bei Schichtarbeit. Ferner möchten die Gewerkschaften drei zusätzliche freie Tage im Jahr. Neben Verdi sind auch der Beamtenbund und die Gewerkschaften der Polizisten und Lehrkräfte involviert.

Acht Prozent höhere Gehälter für 2,5 Millionen Angestellte der Kommunen kosten etwas mehr als zehn Milliarden Euro. Zuzüglich der freien Tage kommt die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sogar auf fast 15 Milliarden Euro. Angesichts defizitärer Haushalte, eines hohen Schuldenstandes (134 Milliarden Euro) und des kommunalen Investitionsstaus (186 Milliarden Euro) weist die VKA-Verhandlungsführerin Karin Welge die Gewerkschaftsforderung als unrealistisch zurück.

Verdi-Vize Christine Behle agiert als Streikführerin.

© Arne Dedert/dpa

Die miserable Situation stellt Verdi nicht in Abrede. So seien beispielsweise im wohlhabenden Baden-Württemberg 87 Kommunen defizitär, sagt Verdi-Vize Christine Behle. Anlass zur Lohnzurückhaltung sieht sie deshalb aber nicht. Der Bund müsse die Kommunen besser ausstatten – und gegen den zunehmenden Arbeitskräftemangel seien gute Tarifverträge das beste Mittel.

Teilweise könnten Städte und Kreise 20 Prozent der Stellen nicht besetzen. Und da 500.000 Bedienstete in den nächsten zehn Jahren in Rente gingen, verschärfe sich der Mangel. Also mit hohen Einkommen die Arbeitsplätze attraktiver machen, schlussfolgert Behle. Und mit weniger oder zumindest flexiblerer Arbeitszeit.

Verdi möchte ein Zeit-Konto einführen

Womöglich bietet das „Meine Zeit Konto“ einen Lösungsweg: Nach den Vorstellungen der Gewerkschaften dürfen Beschäftigte künftig freie Tage, Teile von Entgelterhöhungen oder Sonderzahlungen und Zuschläge auf das Konto buchen und bei Bedarf für eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit, freie Tage oder längere Freistellungsphasen nutzen.

Das klingt gut. Doch wer darf wann und unter welchen Umständen auf das Konto zugreifen, ohne dass der betriebliche oder behördliche Ablauf gestört ist? Die praktische Umsetzung ist komplex und zeigt die Grenzen der Idee. Es gibt das Bedürfnis nach mehr individueller Zeitsouveränität, das wissen auch die Arbeitgeber, doch prinzipiell zahlen sie eher höhere Gehälter, als sich auf kürzere und flexiblere Arbeitszeiten einzulassen.

In den ersten beiden Verhandlungsrunden Ende Januar sowie Mitte Februar haben die Arbeitgeber weder ein Angebot vorgelegt noch sich ausgelassen zu den Arbeitszeitforderungen. Das wird am 14. März, ein Freitag, nachgeholt. Doch selbst wenn die Verhandlungen bis zum Sonntag verlängert werden, rechnet kaum jemand mit einem Kompromiss. Die Tarifpartner liegen so weit auseinander, dass Schlichter ein Übereinkommen finden müssen, wie bereits 2023.

Roland Koch ersetzt Georg Milbradt

Indes gibt es eine Änderung: Anstelle von Georg Milbradt, ehemals Ministerpräsident von Sachsen, haben die Arbeitgeber Roland Koch berufen, den früheren Regierungschef in Hessen. Die Personalie ist delikat, denn unter Koch war Hessen 2004 aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten und hatte sich vom bundesweiten Flächentarifvertrag verabschiedet.

Was Verdi ferner Sorgen macht: Dieses Mal ist der von den Arbeitgebern benannte Schlichter stimmberechtigt, also Koch. Vor zwei Jahren war das der Gewerkschaftsvertreter, der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr.

Parallel zur Schlichtung sind keine Streiks erlaubt, weshalb Verdi bis zum 14. März so viele Mitglieder wie möglich auf die Straße rufen wird. Denn der Tarifkonflikt trägt erheblich zur Mitgliederakquise bei. Bei Bussen und Bahnen, im Luftverkehr und in den Häfen hat die Gewerkschaft zuletzt deutlich mehr Mitglieder gewinnen können. Streiks lohnen sich also für sie.