CSU stimmt wohl zu: Jens Spahn soll Unions-Fraktionschef werden
Jens Spahn soll neuer Unions-Fraktionschef im Bundestag werden. Nun habe auch die CSU der Personalie zugestimmt, berichtet das „Oberbayerische Volksblatt“ (OVB) am Donnerstag. Die Personalie könne dem konservativen Flügel der CDU mehr Gewicht verleihen, schreibt die Zeitung unter Berufung auf die bayerische Schwesterpartei der CDU. Auch die Deutsche Presse-Agentur bestätigte die CSU-Entscheidung für Spahn unter Berufung auf das Umfeld des Parteivorsitzenden Markus Söder.
Bereits Mitte April berichtete die „Bild“ von dem ausdrücklichen Wunsch von CDU-Chef Friedrich Merz, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden zu seinem Nachfolger zu machen. Das habe die Boulevardzeitung aus hochrangigen Unionskreisen erfahren.
Auf Tagesspiegel-Anfrage hieß es damals aus CDU-Kreisen, dass Merz und CSU-Chef Markus Söder zu gegebener Zeit einen Personalvorschlag für die Führung der Unionsfraktion unterbreiten. Spahns Büro ließ eine Tagesspiegel-Anfrage unbeantwortet.
Ein Sprecher von Friedrich Merz habe sich auf Anfrage der „Bild“ Mitte April nicht äußern wollen. Auch Spahn und ein CSU-Sprecher hätten Anfragen der Zeitung zu der möglichen Personalie nicht bestätigt.
Laut „Bild“ stand zu diesem Zeitpunkt eine Zustimmung Söders noch aus – diese ist laut OVB- und DPA-Informationen nun erfolgt. „Beim Fraktionschef wird es wie immer einen gemeinsamen Vorschlag von CDU und CSU geben. Wir werden das sicher gut hinbekommen“, hatte Söder der „Bild“ zuvor gesagt. Dem Vorschlag müssen die 208 Abgeordneten von CDU und CSU dann noch zustimmen.
Kritik von Lobbycontrol
Die Organisation Lobbycontrol kritisierte die mögliche Wahl Spahns zum Unions-Fraktionschef. Ein solcher Schritt wäre ein „schlechtes Signal“, erklärte Lobbycontrol am Donnerstag. Die Transparenzinitiative warf Spahn einen „unzureichenden Umgang mit Fragen von Integrität“ vor und kritisierte eine „einseitige Lobbynähe“ des CDU-Politikers.
Lobbycontrol kritisierte unter anderem „Maskendeals“ während der Corona-Pandemie, derentwegen Spahn in Bedrängnis geraten war. Der damalige Gesundheitsminister hatte zu Beginn der Pandemie die zu der Zeit raren Schutzmasken zu hohen Festpreisen beschafft. Lobbycontrol wirft dem CDU-Politiker eine „einseitige Nähe zu Lobbyakteuren und deren Interessen während der Corona-Pandemie“ vor.
Derzeit wird die Unions-Fraktion von Merz geleitet, der am 6. Mai vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden soll. Voraussetzung ist, dass ein kleiner Parteitag der CDU am 28. April und die Mitglieder der SPD bis zum 29. April dem Koalitionsvertrag zustimmen. Der CSU-Vorstand hat ihn bereits angenommen.
Spahn wird auch als Wirtschaftsminister gehandelt
Der gelernte Bankkaufmann Spahn sitzt seit 2002 im Bundestag. Zwischen 2015 und 2018 war er parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und danach bis 2021 Bundesgesundheitsminister. In seine Amtszeit fiel der Ausbruch der Corona-Pandemie. Von Januar 2021 an war Spahn ein Jahr lang stellvertretender CDU-Chef. In der vergangenen Legislaturperiode war er Fraktionsvize.
Seit dem Rückzieher Linnemanns wird Spahn aber auch als Wirtschaftsminister gehandelt. Sein Fachgebiet als bisheriger Fraktionsvize ist die Wirtschaftspolitik.
Weiterer möglicher Kandidat für den Fraktionsvorsitz ist der bisherige Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. Es gilt aber als wahrscheinlicher, dass der Vertraute von Merz Kanzleramtschef wird. Für das Wirtschaftsministerium ist neben Spahn der CDU-Bundesvize und Energieexperte Andreas Jung im Gespräch.
Zuletzt sorgte Spahn für Diskussionen, weil er angeregt hatte, mit der AfD so umzugehen „wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. Nach dem Erfolg bei der Wahl im Februar ist die Union im neuen Bundestag mit 208 Mandaten wieder stärkste Kraft. (dfs, AFP, dpa)
Lesermeinungen zum Artikel
„Seine politischen Befürworter haben sein Debakel als Gesundheitsminister entweder vergessen oder glauben, der Wähler erinnert sich nicht mehr. Die Politik scheint der einzige Bereich zu sein, indem man Karriere machen kann, ohne Erfolge nachweisen zu können oder -schlimmer noch - obwohl man eklatante Fehler gemacht hat.“ Diskutieren Sie mit Community-Mitglied Melbourne