Täter war wegen Körperverletzung polizeibekannt – Anhaltspunkte für psychische Erkrankung
In Mannheim hat ein Fahrer einen Pkw in eine Menschengruppe gefahren. Dabei sind nach aktuellem Stand zwei Menschen getötet worden. Laut LKA sind die Toten ein Mann im Alter von etwa 54 Jahren sowie eine 83-jährige Frau. Zudem wurden vier Personen schwer und weitere sechs leicht verletzt, wie Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) mitteilte. Zuvor hatte es zeitweise geheißen, womöglich seien bis zu 25 Personen verletzt worden.
Ein 40-jähriger Deutscher, wohnhaft in Ludwigshafen, wurde kurz nach der Tat festgenommen. Die Ermittler gehen nach derzeitigem Stand weder von Mittätern noch von einem politischen Motiv aus.
Was über den Täter bekannt ist
Nach WELT-Informationen handelt es sich bei dem Festgenommenen um Alexander S., er schoss sich bei seiner Festnahme mit einer Schreckschusspistole in den Mund, ist lebensgefährlich verletzt und liegt im Krankenhaus.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) teilte mit, es gebe zur Stunde keine Hinweise „auf einen extremistischen oder religiösen Hintergrund“. Die Tat könne „eher“ mit der persönlichen Situation des Täters zusammenhängen.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler sagte am Abend bei einer Pressekonferenz, es gebe „konkrete Anhaltspunkte auf eine psychische Erkrankung“. Die Wohnung des Täters werde durchsucht. Gegen ihn wurde ein Verfahren wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes eingeleitet.
Der Täter sei „bislang nicht in nennenswertem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten“. Es gebe jedoch ein paar Vorstrafen, die lange zurücklägen. Dabei gehe es um eine Körperverletzung, für die er vor über zehn Jahren eine kurze Freiheitsstrafe verbüßt habe, außerdem gebe es einen Fall von Trunkenheit im Verkehr.
Bei der letzten Tat handle es sich um ein Delikt im Bereich von „Hate Speech“ aus dem Jahr 2018. Er habe einen entsprechenden Kommentar auf Facebook abgesetzt und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dafür erhielt S. nach WELT-Informationen einen Vermerk aus dem Bereich des Rechtsextremismus.
Im August vergangenen Jahres ließ sich Alexander S. nach Informationen von WELT zudem selbst in ein Krankenhaus ein. Dabei soll er angegeben haben, dass er einen Benzinkanister über sich ausschütten wollte, um sich selbst anzuzünden.
Der Täter sei von Beruf Landschaftsgärtner, hieß es von Behördenseite. Ob er aber derzeit eine Stelle gehabt habe, wisse man nicht. Er sei ledig, habe nach Erkenntnissen der Ermittler keine Kinder und keine Partnerin oder keinen Partner. Man gehe davon aus, dass er allein gelebt habe.
Ein Facebook-Account, der S. zugeordnet wird, wirkt nicht wie das eines Extremisten oder eines Gewalt verherrlichenden Exzentrikers. Dort wurden Tiervideos gepostet, der Inhaber schien sich vor allem für Hunde zu begeistern. Ein Bild zeigt ihn beim Klettern, auf einem weiteren posiert er im Sommer auf einem Schlitten.
Vor etwa vier Jahren, so wirkt es auf den Bildern, veränderte sich sein Äußeres. Der Account-Inhaber nahm zu, die heiteren Gesichtszüge der ersten Einträge sind auf den Fotos, die er ab 2021 einstellte, nicht mehr zu erkennen. Er rasierte sich das Kopfhaar, ließ sich lange Koteletten stehen. Im Mai 2021 zeigte er sich in einem Raum, offenbar sein Schlafzimmer, mit nacktem Oberkörper und einem Tattoo (oder einem Tattoo-Aufkleber) auf der Brust, das offenbar ein Einschussloch darstellen soll. Auffälliger noch sind die Bilder, die S. auf dem russischem Netzwerk VK eingestellt haben soll. Dort inszenierte sich der Account-Inhaber etwa vor einem Panzer oder mit einem Sportgewehr.
So lief die Tat ab
Nach Augenzeugenberichten soll der Fahrer mit dem Wagen vom Friedrichsring kommend in die Haupteinkaufsstraße Planken gerast sein und auf Höhe des Paradeplatzes mehrere Passanten an- oder umgefahren haben. Auf den Planken und rund um den Wasserturm findet derzeit ein Fasnachtsmarkt mit Dutzenden Imbissbuden und Fahrgeschäften statt. Am Ort des Geschehens waren Trümmer zu sehen, mindestens eine Person lag abgedeckt unter einer Plane. Notrufe gingen laut Polizei ab 12.14 Uhr ein.
Während einer Pressekonferenz am Abend sagte Mannheims Polizeipräsidentin Ulrike Schäfer, man sei nach den ersten Notrufen zunächst von einem Verkehrsunfall ausgegangen. Es habe sich aber „ziemlich schnell herauskristallisiert“, dass es sich um eine gezielte Fahrt gehandelt habe, bei der bewusst mehrere Personen erfasst wurden. Innenminister Strobl sagte, das Auto sei „mit sehr hoher Geschwindigkeit“ durch die Fußgängerzone „gerast“.
Ein Mann, der während des Vorfalls in einem Restaurant am Paradeplatz saß, sagte: „Hier ist die Hölle ausgebrochen.“ Überall, auch auf den Dächern, seien Polizisten, mehrere Hubschrauber würden über Stadt kreisen. Er habe nicht gesehen, wie ein Auto in eine Menschenmenge raste, aber „panisch davonlaufende Menschen“. Am Ort wurde eine psychologische Betreuung eingerichtet. Diese soll die unmittelbar Beteiligten versorgen, wie ein Polizeisprecher in Mannheim mitteilte. Man richte zudem ein Hinweistelefon ein und eine Zeugensammelstelle.
Die Uniklinik Mannheim behandelt drei Patienten akutmedizinisch, die mit einer hohen medizinischen Dringlichkeit eingestuft wurden. Am späteren Nachmittag hieß es, im Klinikum sei „wieder der Normalbetrieb“ angelaufen, nachdem zeitweise etwa verschiebbare Operationen vom Plan genommen worden waren.
Der bundesweite Warndienst Katwarn hatte zeitweise für Mannheim eine „lebensbedrohliche Lage“ ausgerufen. Nach Polizeiangaben ist zudem die Mannheimer Innenstadt weiträumig abgesperrt worden.
In den vergangenen Wochen hatte es mehrere Anschläge gegeben, bei denen Fahrzeuge in eine Menschenmenge gefahren waren. Im Dezember kamen in Magdeburg sechs Menschen ums Leben, als ein inzwischen 50 Jahre alter Arzt aus Saudi-Arabien über den Weihnachtsmarkt gerast war. Mitte Februar war ein Afghane mit seinem Fahrzeug in eine Gruppe von Demonstranten in München gefahren. Dabei kamen eine junge Frau und ein Kind ums Leben.
Im Sommer vergangenen Jahres hatte ein Afghane in Mannheim auf dem Marktplatz der Stadt den Islamgegner Michael Stürzenberger mit einem Messer angegriffen. Der Polizei Rouven Laur wurde bei dem Angriff tödlich und fünf weitere Personen schwer verletzt. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hegt. Der mutmaßliche Täter steht derzeit in Stuttgart vor Gericht.
Mannheim liegt im Norden Baden-Württembergs an der Grenze zu Hessen und Rheinland-Pfalz. Die Stadt ist mit rund 320.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs.
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