„Papier-Prozesse aus der analogen Welt“: Länder setzen Digitalleistungen für Bürger nur schleppend um

Die Digitalisierung in Deutschland kommt nur langsam voran. Von den 575 staatlichen Leistungen, die laut Onlinezugangsgesetz (OZG) bis Ende 2022 für die Bürger hätten nutzbar sein sollen, waren Anfang Januar 2025 laut dem neuen „Behörden-Digimeter 2025“ des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) nur 196 flächendeckend verfügbar.

Spitzenreiter unter den Stadtstaaten sei Hamburg, heißt es in der Reuters vorliegenden Untersuchung im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Hamburg bietet danach 290 Dienstleistungen online an. Unter den Flächenländern liegt Bayern an der Spitze, allerdings nur mit 276 Angeboten für alle Bürger. Dazu kommen allerdings noch Angebote, die in einzelnen Gemeinden, aber nicht flächendeckend vorhanden sind. Hier liegt Nordrhein-Westfalen vorne.

Digitalisierungs-Elan ist in den Bundesländern nicht zu erkennen.

Aus der Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft

Im ersten Quartal 2025 habe Hessen Tempo gemacht und bis zum 1. April 21 zusätzliche OZG-Angebote flächendeckend eingerichtet, heißt es in dem Gutachten. In Thüringen seien dagegen Angebote wieder abgeschaltet worden. „Digitalisierungs-Elan ist in den Bundesländern nicht zu erkennen“, heißt es. In der Studie werden 11.000 „Insellösungen“ einzelner Verwaltungen erwähnt.

„Bislang ist die OZG-Umsetzung neben dem föderalen Struktur-Chaos, unzureichenden Mitteln und unzureichendem Willen auch daran gescheitert, dass keine Aufgaben- und Prozesskritik erfolgt ist, sondern versucht worden ist, historisch gewachsene, komplizierte Papier-Prozesse aus der analogen Welt Eins-zu-eins in digitale Lösungen zu übersetzen“, lautet das Fazit.

In der Studie wird von einem „desaströsen Bild“ im europäischen Vergleich gesprochen. Deutschland liege beim E-Government in der EU nur im unteren Mittelfeld. Bei vorausgefüllten Formularen liege Deutschland sogar nur auf dem vorletzten Platz der 27 EU-Staaten. Der Bürokratieabbau sei ebenfalls nicht vorangekommen. Die Zahl der Einzelregulierungen aus Gesetzen und Verordnungen sei in den vergangenen zehn Jahren sogar um 21 Prozent auf fast 97.000 angewachsen.

Die INSM fordert deshalb von der neuen Bundesregierung mehr Tempo. Mit Blick auf die unterschiedlichen Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen heißt es, es sei wichtig, dass der Bund mehr Koordinierungsrechte erhalte, möglichst durch eine Grundgesetzänderung oder einen Staatsvertrag. Wichtig sei zudem die Wiedereinführung einer Deadline für die Umsetzung der OZG-Dienstleistungen. Gesetze müssten digitaltauglich formuliert werden und die elektronische Identität (E-ID) für die Identifizierung beim Online-Bürgeramt besser durchgesetzt werden. (Reuters)