„Sie haben dankbar zu sein“ – Das Protokoll einer historischen Eskalation im Weißen Haus
Ein Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus ist völlig eskaliert. Selenskyj kam in einem schwarzen Pullover mit dem ukrainischen Dreizack auf der Brust ins Weiße Haus. Seit Beginn des Ukraine-Krieges wählt der Präsident einen militärischen Look, meist in olivgrün.
Trump witzelte: „Sie haben sich schick gemacht“. Dann wandte er sich zu den Journalisten, zeigte auf Selenskyj und sagte: „Er hat sich schick gemacht.“ Auf die ihnen zugerufenen Fragen reagierten sie nicht.
Geradezu historisch war dann der Schlagabtausch von Trump und Selenskyj, ebenfalls vor laufenden Kameras und zusätzlich unter Einbeziehung des Vizepräsidenten J.D. Vance. Selenskyj hatte eine Bitte um Sicherheitsgarantien der USA für eine mögliche Waffenruhe mit Russland vorgebracht. Vance warf ihm daraufhin Respektlosigkeit und Undankbarkeit vor, Trump wiederholte die Anschuldigung nach Einwänden Selenskyjs und erklärte diesem, er sei nicht in einer Position, von den USA Zugeständnisse zu verlangen.
Trump forderte Selenskyj auf, dankbar zu sein und verlangte von ihm, seine Haltung zu ändern. Er und Vance unterbrachen ihn immer wieder, während der ukrainische Präsident versuchte, etwas zu erwidern.
Die wichtigsten Aussagen zum Besuch von Wolodymyr Selenskyj bei Donald Trump im Überblick:
Trump: Selenskyj hasst Putin
„Er hat enormen Hass auf (Wladimir) Putin. Das verstehe ich“, sagte Trump. Aber die andere Seite sei auch nicht gerade in Selenskyj verliebt. Auch er könne hart sein, sagte Trump, härter als jeder andere, aber so werde es keinen Deal geben. Weiter sagte Trump, er sei nicht auf einer Linie mit Putin (engl. „aligned“), sondern mit den USA und dem Wohlergehen der Welt.
Selenskyj macht US-Regierung wegen Krim-Annexion Vorwürfe
Selenskyj forderte Trump auf, „keine Kompromisse mit einem Killer“ einzugehen – und meinte Kreml-Chef Putin. Selenskyj monierte auch, dass nach der russischen Annexion der Krim im Jahr 2014 niemand Putin aufgehalten habe – nicht Barack Obama, nicht Donald Trump, nicht Joe Biden. „2014 war ich nicht hier“, sagte Trump.
Selenskyj spricht J.D. Vance mit Vornamen an
Selenskyj erinnerte an das Minsker Friedensabkommen, dass unter Vermittlung Frankreichs und Deutschlands entstanden sei und dass Putin gebrochen habe. „Über was für eine Art Diplomatie, J.D., sprechen Sie“, sagte Selenskyj in Richtung des US-Vizepräsidenten.
Vance nennt Selenskyj-Besuch respektlos
„Herr Präsident, Herr Präsident, bei allem Respekt. Ich finde es respektlos von Ihnen, ins Oval Office zu kommen und zu versuchen, vor den amerikanischen Medien zu verhandeln“, sagte Vance. „Gerade jetzt, wo Sie herumlaufen und Wehrpflichtige an die Front zwingen, weil Sie Personalprobleme haben, sollten Sie Präsident (Trump) dafür danken, dass er versucht, die Situation zu verbessern.“
Vance wirft Selenskyj „Propaganda-Touren“ vor
„Waren Sie jemals in der Ukraine, dass Sie sagen können, welche Probleme wir haben? Kommen Sie einmal“, sagte Selenskyj darauf. Vance kontert, er habe die Berichterstattung verfolgt. „Ich weiß, was passiert. Sie bringen die Leute auf eine Propaganda-Tour.“
Selenskyj: USA haben einen „schönen Ozean“ – werden aber Probleme bekommen
„Im Krieg hat jeder Probleme – sogar Sie“, sagte Selenksyj auf die Frage nach Rekrutierungsproblemen. „Sie spüren die Probleme nicht, Sie haben einen schönen Ozean. Aber Sie werden sie in der Zukunft spüren“, sagte Selenskyj. „Gott segne...“ – weiter kam er nicht. „Sagen Sie uns nicht, was wir fühlen sollen. Wir wollen ein Problem lösen“, unterbrach Trump. „Wir werden uns sehr gut fühlen.“
Trump: Selenskyj riskiert dritten Weltkrieg
„Sie haben bei uns keine guten Karten, Sie haben jetzt schon Probleme“, sagte Trump. Selenskyj schob ein, er spiele keine Karten, doch Trump fuhr fort: „Sie setzen das Leben von Millionen von Menschen aufs Spiel. Sie riskieren einen dritten Weltkrieg, und was Sie tun, ist sehr respektlos gegenüber dem Land, das Sie weit mehr unterstützt hat, als viele Leute sagen, dass sie es hätten tun sollen.“
Trump: Ukraine wird nicht gewinnen
„Ihr Land steckt in großen Schwierigkeiten. Ich weiß, dass Sie nicht gewinnen werden. Sie werden das hier nicht gewinnen. Sie haben eine verdammt gute Chance, da heil herauszukommen, wegen uns“, sagte Trump.
Selenskyj konterte: „Herr Präsident, wir bleiben stark. Wir sind seit Beginn des Konflikts auf einer Seite. Und wir sind dankbar. Ich habe dem amerikanischen Volk oft gedankt.“
Trump: „Sie haben dankbar zu sein“
„Ihre Männer sind tapfer, aber sie nutzen unsere Militärausrüstung. Wenn Sie unsere Militärausrüstung nicht hätten, wäre der Krieg nach zwei Wochen zu Ende gewesen“, sagte Trump. „Sie haben dankbar zu sein.“
„In drei Tagen“, konterte Selenskyj, „das habe ich von Präsident Putin gehört.“
Trump stellt US-Unterstützung infrage
„Sie werden entweder einen Deal machen oder wir sind raus“, sagte Trump im Weißen Haus. „Und wenn wir raus sind, müssen Sie es ausfechten. Ich glaube nicht, dass das angenehm sein wird.“ Und weiter: „Das Problem ist, dass ich Sie dazu befähigt habe, ein harter Kerl zu sein“, sagte Trump über Selenskyj. „Ich glaube nicht, dass Sie ohne die Vereinigten Staaten so ein harter Kerl wären.“
Trump: „Das wird großartiges Fernsehen sein“
Trump beendete den Austausch mit den Worten „Ich denke, wir haben genug gesehen“ und, mit Blick auf die anwesende Presse im Raum: „Das wird großartiges Fernsehen sein, das kann ich Ihnen sagen.“
Eigentlich war zwischen Trump und Selenskyj ein Mittagessen und die Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens geplant gewesen. Ebenso sollte über mögliche Sicherheitsgarantien gesprochen werden. Dazu kam es nicht mehr.
Selenskyj verließ das Weiße Haus früher als vorgesehen, Trump sagte eine Pressekonferenz und die Unterzeichnung des Rohstoffabkommens ab. „Er kann wiederkommen, wenn er bereit zu einem Frieden ist“, schrieb Trump auf seinem Netzwerk Truth Social.