Peter Handke sendet wieder: „Ich kann das Wort Demokratie nicht mehr ausstehen“
Es ist gerade wieder Peter-Handke-Zeit. Vor gut einer Woche machte sich die „Neue Zürcher Zeitung“ auf den Weg nach Chaville im Südwesten von Paris, wo Handke lebt, um mit ihm ein langes Interview zu führen.
Der vorgegebene Anlass war das sechzigjährige „Dienstjubiläum“ des österreichischen, 1942 in Klagenfurt geborenen Schriftstellers. Denn im Sommer 1965 hatte der Suhrkamp Verlag das Manuskript von Handkes Debütroman „Die Hornissen“ angenommen (und schließlich im März 1966 veröffentlicht).
Am Montagabend dieser Woche dann sendete auch der ORF eine halbstündige Unterhaltung mit Handke, „diesmal auf dessen Wunsch als Gespräch, nicht als Interview“, wie es auf der Website des Senders heißt.
Der Anlass des ORF wiederum, den Schriftsteller in der österreichischen Botschaft in Paris zu treffen: Handkes im Januar erschienenes Bühnenstück „Schnee von gestern, Schnee von morgen“, eigentlich ein Zwischenwerklein, soweit man bei seinen letzten Hervorbringungen überhaupt Größen- und Bedeutungsunterscheidungen machen kann.
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Das Interview mit der „NZZ“ ist ein eigentlich recht schönes, elegisches geworden, über das Alter, Melancholie und Traurigkeit, das Ende der Menschheit mit Karl Kraus, wären am Schluss nicht noch Einlassungen Handkes speziell zur Ukraine gewesen.
Ich bin sicher, dass die Europäer Selenskyj zum Krieg ermuntert haben.
Peter Handke
Er hasse sich selber dafür, zu sagen, er sei sicher. So hebt er da an, nachdem er vorher gemutmaßt hat, dass lange vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine ein Frieden möglich gewesen wäre, „aber ich bin sicher, dass die Europäer Selenskyj zum Krieg ermuntert haben: Mach nur, mach nur. Wir unterstützen dich. Und wofür? Selenskyj opfert sein Volk, die haben alle genug. Es ist ein furchtbares Leid, das Volk leidet.“
Der Völkermord in Srebrenica
Das also weiß der Geostratege und Zeitungsleser aus Chaville sicher. Das könnte man als typische Handke-Fehlzündungen durchgehen lassen, wäre da eben nicht jenes andere Gespräch in Paris mit dem ORF gewesen, das am Dienstagabend hierzulande ausschnittsweise in der 3Sat-Sendung „Kulturzeit“zu sehen war.
In dem sieben Minuten langen Ausschnitt ging es nicht etwa um „Schnee von gestern, Schnee von morgen“. Sondern um den „ewigen Frieden“, der laut Handke möglich sei, um den Krieg, den er als Kind erlebt hat, und daran anschließend wieder um Aktuelles wie den Vormarsch der Rechten und Autokraten.
Wie sein Verhältnis zur Demokratie sei, lautete die Frage, und er ereifert sich: „Ich kann das Wort Demokratie nicht mehr ausstehen“. Um anzufügen, dass Frankreich immer sage, eine solche zu sein, in einer solchen zu leben, „dabei ist Frankreich eine Demokratie, wo viele kleine Diktaturen sind, noch und noch.“
Viele Gesellschaftsformen seien diktatorisch, aber freundlich und aufgeklärt. „Wenn dann Diktatur ist, dann hat man wenigstens was zu bekämpfen, aber diese Diktaturen von heute sind unbekämpfbar. Das ist das Problem von heute.“
Man ahnt, auf was für einem Weg Handke ist. Er meint die USA unter Trump, Israel unter Netanjahu oder Ungarn unter Orbán. Aber Frankreich? Natürlich lässt sich die Interviewerin auch das Thema Jugoslawien nicht entgehen, das muss so bei Handke, und befragt ihn zu seiner Weigerung, den Völkermord in Srebrenica anzuerkennen. Der könne ihm „gestohlen bleiben“, antwortet er, das sei „Brudermord“ gewesen, „das ist viel was Schlimmeres“. Und: Das eine sei ein juristischer Ausdruck, das andere ein biblischer.
Nein, er werde sich keine Wörter vorschreiben lassen von „irgendwelchen Pfeifen, die keine Ahnung haben von Sprache und Silben, von Rhythmus und Melodie“, ergänzt Handke.
Womit klar werden soll: Für einen wie ihn ist alles Sprache, alles Literatur. Und die Pfeifen, die immer wieder meinen, ihn zum aktuellen Weltgeschehen befragen zu müssen, haben doch selbst Schuld mit ihrer Empörungsmaschinerie.