Debattenreihe im Haus der Berliner Festspiele: „Wer auf die Rechten zugeht, geht der Lüge entgegen“
„Mit der Spirale seines Wahnsinns konnten wir gar nicht mithalten“, gestand kürzlich der Satiriker Jacques Tilly. Gemeint war – wer sonst? – der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Nun muss man kein Gestalter von Karnevals-Wagen sein, um das Gefühl nachzuvollziehen, das Tilly beschreibt: die Trump-Walze rollt im Affenzahn und macht dabei alles platt, was den Vernunftbegabten lieb und teuer ist: Wahrheit, Demokratie und ja, auch Debattenkultur.
Da kommen viele nicht mit, Kunst oder Journalismus eingeschlossen. Was natürlich Teil der Strategie ist: wo Zerstörung wütet, findet keine Auseinandersetzung mehr statt.
Um den Spiralendreher Trump ging es auch bei der Eröffnung der Thementage „Reflexe und Reflexionen“ im Haus der Berliner Festspiele, überschrieben: „Zur Zukunft der Streitkultur“. Das Kuratorenpaar Saba-Nur Cheema und Meron Mendel hat bereits im vergangenen Jahr eine herausragende Ausgabe der „Reflexe und Reflexionen“ verantwortet, bei der es um die Frage ging: Wie können wir nach dem 7. Oktober über den Nahostkonflikt sprechen? Mit der klaren Verabredung, das Existenzrecht Israels ebenso wenig zur Debatte zu stellen wie das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat – aber ohne „safe spaces“ und Triggerwarnungen.
Was bedeutet Konsensfindung in polarisierten Zeiten?
Diesmal also zum Auftakt: der West-West-Konflikt. Eingeladen ist der US-amerikanische Journalist Jeffrey Goldberg, Chefredakteur des Magazins „The Atlantic“. Der hat unter anderem im November 2023 einen fulminanten Essay über den General Mark Milley veröffentlicht („The Patriot“), der während Trumps erster Amtszeit mit unverbrüchlicher Verfassungstreue verhinderte, dass das Militär in die Umsturzversuche des abgewählten Präsidenten hineingezogen wird. Das Stück liest sich heute wie ein Menetekel.
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Info
Reflexe und Reflexionen – „Zur Zukunft der Streitkultur“. Kuratiert von Saba-Nur Cheema und Meron Mendel. Vom 6. bis 8. März 2025 im Haus der Berliner Festspiele
Programm unter https://www.berlinerfestspiele.de/reflexe-und-reflexionen
Jetzt sitzt Goldberg als kluger und humorbegabter Zeitanalyst auf der Bühne in Berlin und sagt ratlos: „Ich versuche, mein Land zu verstehen.“ Leidet es an einer tödlichen Krankheit – oder hat es „nur“ einen Herzinfarkt erlitten, von dem es sich wieder erholt?
„Donald Trump, die polarisierte Öffentlichkeit und das Ende der Demokratie?“ lautet der Titel des Eröffnungspanels, auf dem nach Goldberg die deutsche Autorin und Journalistin Alice Hasters spricht. Auch sie versucht, eine freidrehende Gegenwart zu durchdringen – mit der Trump-Autokratie und den AfD-Erfolgen hierzulande gleichermaßen im Blick, gerichtet auf die Frage, welche Widerstandsstrategien eine Linke eigentlich noch hat, was Konsensfindung in polarisierten Zeiten eigentlich bedeutet – und welche Kompromisse keine Option sind. „Wer auf die Rechten zugeht, geht der Lüge entgegen“, sagt Hasters.

© Fabian Schellhorn
„Ist die liberale Demokratie am Ende? Wie die populistische Revolution den Westen erschüttert“, ist ein noch kommendes Panel dieser Thementagen überschrieben, das weiter nachspürt. Eine andere Diskussionsrunde fragt: „Wer darf eine Bühne bekommen? Über Kunstfreiheit und Deplatforming“. Daran nimmt neben der Professorin Nora Sternberg und dem Journalisten Deniz Yücel der Choreograf Emanuel Gat teil, dessen Arbeit „Freedom Sonata“ Teil des künstlerischen Programms der „Reflexe und Reflexionen“ ist.
Die Tanzperformance wird untermalt vom Album „The Life of Pablo“ des Rappers Kanye West, neuerdings auch Produzent von Hakenkreuz-T-Shirts. „Eine Strapaze für unsere Ambiguitätstoleranz“ nennt das der Festspiele-Intendant Matthias Pees in seiner Eröffnungsrede.
Jeffrey Goldberg erzählt in Berlin von zwei Begegnungen, die ihm vor Augen führten: Es gibt Weltbilder, die nicht miteinander vereinbar sind. Einmal mit einem Hisbollah-Kommandanten („Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“). Die andere mit Trump-Schwiegersohn Jared Kushner. Da ging es um die Vorliebe des Präsidenten für grobe Beleidigungen. „No one can go as low as the president“, erklärte Kushner, niemand schlägt unter die Gürtellinie wie Trump. Goldberg brauchte einen Moment um zu realisieren: Das war ein Kompliment.