Er war „A Man’s Man“ – einer, den andere Männer bewundern
Er konnte eine Krawattenklammer, dieses spießigste Accessoire aller Leisetreter, zur Geltung bringen wie kein anderer. Dazu kurzärmelige Oberhemden. Und Hüte, die – wie die Anzüge – von der billigsten Stange kamen. Diese Garderobe ließ den groß gewachsenen Gene Hackman sofort auf Biedermanngröße schrumpfen.
In seinen besten Filmen hat er uns diese Fassade vorgeführt. Beziehungsweise gezeigt, was hinter so einer Fassade los sein kann. Etwas Ungutes („French Connection“), Ungemütliches („Der Dialog“), Unbeugsames („Mississippi Burning“). Immer wieder kamen Regisseure wie Sydney Pollack, Peter Hyams oder Tony Scott auf diese besondere Facette seiner Schauspielkunst zurück.
Noch in der Karikatur sorgte das für große Klasse: Einen seiner hinreißendsten Auftritte legte Hackman als Harry Zimm in Barry Sonnenfelds Hollywood-Satire „Schnappt Shorty“ hin. (Niemals wird man vergessen, wie Hackman mit Korsett und übel verpflasterter Nase seine Drinks durch Strohhalme süffelte.)
Hackmann, der unter noch ungeklärten Umständen am Mittwoch tot in seinem Haus gefunden wurde, war einer der besten Schauspieler, die das New Hollywood hatte. Aber er war nur der Bruder von Clyde. Den besetzte Arthur Penn mit Warren Beatty, einem Schönling. Das war 1967 und brachte Hackman die erste Oscarnominierung ein.
Der wirkliche Durchbruch erfolgte vier Jahre später, als William Friedkin Hackman die Rolle des besessenen Drogenfahnders Popeye Doyle in „The French Connection“ anbot. Allerdings erst, nachdem ein halbes Dutzend Kollegen dankend abgewinkt hatte, darunter auch James Caan oder Steve McQueen. Er war also zweite Wahl. Und wusste es. Und zeigte es allen.
Machte nach dem Oscargewinn allerdings auch immer wieder in erstaunlich mittelmäßigen Filmen mit. Machte mediokres Zeug wie Michael Ritchies „Schussfahrt“ oder Bob Clarks „Der Harte und der Zarte“ sehenswert. Spielte nie unter dem eigenen Niveau.
Hackman sei einfach unfähig, eine schlechte Arbeit abzuliefern, befand „Mississippi Burning“-Regisseur Alan Parker. Wobei dieser Film über den kruden Rassismus in den amerikanischen Südstaaten der 60er-Jahre nicht zuletzt als politisches Bekenntnis aus Hackmans Werkverzeichnis herausragt.
Seinen zweiten hochverdienten Oscar bekam er 1993 für seine Nebenrolle in Clint Eastwoods Spätwestern „Erbarmungslos“. Wichtig waren ihm seine Trophäen nicht. Auf die Frage, wo die aufbewahrt seien, meinte er irgendwann lässig: „Ich bin mir nicht sicher.“ Im Haus seien sie jedenfalls nicht. „Ich bin kein sentimentaler Kerl.“
Zur Freude seiner Fans hatte er aber auch immer etwas für gute Thriller übrig. In Arthur Penns „Target“ war er ein Durchschnittsmann, der sich unter den staunenden Augen seines Sohnes als ehemaliger CIA-Agent entpuppte. In Peter Hyams’ „Narrow Margin – 12 Stunden Angst“ spielte er einen Staatsanwalt, der die Zeugin eines Mafiamords in einem Zug zu schützen hatte. In Tony Scotts „Staatsfeind Nr. 1“ war er ein ehemaliger Abhörspezialist des NSA, der Letzte, der dieser Krake noch Paroli bot.
Er war das, was die Amerikaner „A Man’s Man“ nennen. Einer, den andere Männer bewundern. Für die richtige Mischung aus Intelligenz und physischer Präsenz. Aber er konnte auch anders.
Er war der Mann, für den sich Gena Rowlands in Woody Allens „Eine andere Frau“ entschied. Der kämpferische Rechtsanwalt in Michael Apteds „Das Gesetz der Macht“. Denn natürlich war er auch ein Mann, der den Frauen gefiel. Weil er immer etwas Einsames um sich hatte.
By the way: Von seiner ersten Frau Faye Maltese, mit der er einen Sohn und zwei Töchter hatte, ließ sich Hackman nach 30 Jahren scheiden. Fünf Jahre später heiratete er Betsy Arakawa, eine ausgebildete Konzertpianistin, mit der er in Santa Fe lebte.
Eugene Allen Hackman, dessen Urgroßvater aus Norddeutschland nach Pennsylvania ausgewandert war, wurde am 30. Januar 1930 im kalifornischen San Bernardino geboren. Es war die Zeit der Großen Depression. Lyda und Eugene Hackman zogen mit ihren Söhnen Gene und Richard in der Hoffnung auf Arbeit ständig um, bis der Vater endlich eine Anstellung als Drucker in Danville, Illinois, fand.
Um die Kosten niedrig zu halten, wohnte man bei der Großmutter, und da blieben die Kinder auch nach der Trennung der Eltern. (Der Vater stieg eines Tages einfach ins Auto und fuhr weg.) Gene übernahm gezwungenermaßen die Vaterrolle für seinen jüngeren Bruder.
Mit 16 hatte er die Schnauze voll. Er korrigierte sein Alter nach oben und meldete sich zum Militär. Wurde Funker. Arbeitete beim Marine Corps als Radiomoderator. Besuchte anschließend die New Yorker School of Radio Technique.
Seine Karriere begann im Live-Fernsehen
Sah 1951 im Kino Elia Kazans „Endstation Sehnsucht“ mit Marlon Brando und beschloss, selbst Schauspieler zu werden. (Als Kind hatte er die Filme von Errol Flynn und James Cagney geliebt.) Brach nach einem dreimonatigen Gastspiel an der berühmten Pasadena Playhouse Acting School die Ausbildung schon wieder ab und ging nach New York. Ergatterte erste kleine Broadwayauftritte.
Seine eigentliche Lehrzeit aber absolvierte Hackman im Live-Fernsehen, das auch Stars wie Robert Redford und Regisseure wie Arthur Penn hervorbrachte. Hackmans Zimmergenossen in dieser Zeit waren Robert Duvall und Dustin Hoffman, mit denen ihn dann lebenslange Freundschaften verbanden. Hoffman sagte später: „Gene und ich glaubten nicht, dass wir es schaffen würden. Wir sahen uns als geborene Verlierer.“
Hackman hielt sich mit Nebenjobs über Wasser. Eines Tages, ein Hotel hatte ihn als Türsteher engagiert, kam einer der Playhouse-Lehrer aus Pasadena vorbei, sah ihn und sagte: „Ich hab’ dir ja gesagt, dass du es nie schaffen wirst.“ Was für ein Idiot.
Gene Hackman hat zwischen 1961 („Der Tollwütige“) und 2004 („Willkommen in Mooseport“) etwa 100 Filme gedreht. Danach war Schluss. Er habe keine Lust mehr, Kompromisse zu machen, erklärte Hackman – der inzwischen angefangen hatte, gemeinsam mit dem Unterwasserarchäologen Daniel Lenihan Bücher zu schreiben – in der Talkshow von Larry King.
Als ihn die Zeitschrift „GQ“ 2011 fragte, ob er sich ein Comeback vorstellen könne, antwortete er: vielleicht. Allerdings nur, wenn die Dreharbeiten in seinem eigenen Haus stattfänden! „Ohne dass dabei etwas durcheinander gebracht wird und nur mit ein oder zwei Leuten.“ Und ganz sicher habe er weder Lust, Urgroßväter zu spielen, noch nachts zu arbeiten!
Zu alldem ist es auch nicht mehr gekommen. Hackman (95) und seine Frau Betsy Arakawa (63) wurden am Mittwochnachmittag in ihrem Haus in der Gemeinde Santa Fe Summit leblos aufgefunden. Wie der Sheriff von Santa Fe County, Adan Mendoza, bestätigte, ist auch der Hund des Ehepaares nicht mehr am Leben.