Warum wir über Woke nicht mehr lachen können

Es gibt Szenen, die so unerträglich anzusehen sind, dass der künstlerische Effekt fast die Zuschauer vergrault. Sie werden quälend in die Länge gezogen und die Beteiligten verhalten sich so unverständlich, dass man die ganze Sendung, obwohl kurz vor Ende, am liebsten abbrechen würde. Eine solche Szene gibt es in der neuen Arte-Serie „Douglas is Cancelled“. Darin muss der Nachrichtenmoderator Douglas, gewohnt sympathisch gespielt von Hugh Bonneville, nach einem sexistischen Witz um seine Karriere fürchten.

Die Miniserie will die Grauzonen eines MeToo-Skandals ausleuchten, greift dabei aber mehr als knapp daneben. Warum das so ist, kann nur mit einem ziemlich großen Spoiler verraten werden. Die unerträgliche Szene ist nämlich die Schlüsselszene des dramatischen Comedy-Vierteilers. Sie zeigt, warum seine Co-Moderatorin Madeline (Karen Gillan) sich an Douglas rächen will und was der sexistische Kommentar war, über den auf Twitter geraunt wird, ohne ihn zu benennen.

In einem Rückblick sehen wir Madeline, die im finalen Jobinterview mit dem großen Chef sitzt. Der hatte das Gespräch im Büro kurzfristig abgesagt und in ein Hotelzimmer am Rande einer Gala für Douglas legen lassen. In diesem Hotelzimmer legt er nun seine auf Madelines Hand, drängt sie dazu, Wein zu trinken, setzt sich immer näher. Madeline ist zunehmend irritiert, aber gleichzeitig auch sehr nah an ihrem Traumjob: Co-Moderatorin von ihrem Idol Douglas Bellowes.

Verdrehte Hierarchien

Die Szene quält einen, bringt aber auch auf den Punkt, was in Debatten über sexuelle Übergriffe immer wieder diskutiert wird: Der Mann in der Machtposition, der sich unantastbar fühlt. Die Verwirrung und Lähmung der jungen Frau, die nicht sicher ist, was hier passiert. „Ist das ein Test?“, fragt sie immer wieder. Das Unverständnis ihr gegenüber, als sie selbst dann nicht den Raum verlässt, als der Chef sich für ein Bad auszieht und sie auffordert zu bleiben.

Dann klopft Douglas an die Hotelzimmertür. Er sieht die Angst in Madelines Augen und das „Nicht Stören“-Schild an der Türklinke. Douglas blickt irritiert, entschuldigt sich und dreht um. Im Weggehen wünscht er ihr noch, dass sie den Job bekommt und er es wert sei. Egal, welchen Mist man dafür durchmachen müsse.

Die Serie will die Mittelmänner anklagen, die schweigend den anderen ihre dunklen Taten ermöglichen. Die wegsehen, wenn Hände auf Knien landen, und nicht fragen, ob alles in Ordnung ist. Die sich als Frauenfreunde gerieren, aber passiv das Patriarchat unterstützen. Die dadurch zum Täter werden, dass sie anzügliche Witze erzählen. Das alles sind Geschichten, die sich zu erzählen lohnen. Zum Problem wird das nur, wenn sie so erzählt werden, dass dumme Sprüche und Schweigen zum größeren Verbrechen werden als der Übergriff selbst.

Trump hat's verdorben

„Douglas is Cancelled“ macht genau das. Der Aggressor sei nicht mal die Erwähnung wert, sagt Madeline an einer Stelle, weil man von solchen Typen nichts anderes erwartet. Das wahre Problem sind demnach die Mitläufer, die Douglase dieser Welt. Für Douglas ist es das Ende seiner Karriere. Was mit dem großen Boss passiert, wird nicht mal angedeutet. Die Hierarchien dieser beiden Vergehen zu verdrehen ist gefährlich, weil es die Schwere der körperlichen Bedrängung aufweicht. MeToo-Kritiker haben genau diese gleichmachende Dynamik in der Bewegung problematisiert, nämlich dass ein vulgärer Spruch plötzlich zur gleichen Kategorie zählt wie eine Vergewaltigung. „Douglas is Cancelled“ treibt genau das auf die Spitze. Die Macher wollten progressiv die weichen Faktoren sexueller Gewalt hervorheben, wirken dabei aber hängengeblieben in der Debatte.

Ähnlich unglücklich ist der Zeitpunkt für die Parodie der woken Gen Z, gespiegelt in der Tochter von Douglas. Beständig kurz vorm Wutanfall attackiert sie ihre „Boomer“-Eltern entweder als frauenfeindlich oder rassistisch – im Zweifel beides. Sie will ihren Vater nicht canceln müssen, beteuert sie ihm einmal voll selbstzufriedenem Märtyrer-Pflichtbewusstsein. In der Ära Trump 2.0 hat man aber nicht mehr die gleiche Lust, darüber zu lachen, wie vielleicht noch vor ein paar Monaten. Es verliert den Reiz, sich über eine – zwar nervtötende und gängelnde – Bewegung lustig zu machen, wenn die Antwort darauf gerade so dystopisch in der Welt wütet.

Das Haltbarkeitsdatum von „Douglas is Cancelled“ ist kurz nach Erscheinen bereits abgelaufen. Da hilft es auch nicht, dass das Ganze als Comedy-Serie leichter verdaulich gemacht werden sollte. Der Humor bleibt, wie so oft, auch hier auf der Strecke.

Die Serie „Douglas is Cancelled“ ist in der Arte-Mediathek zu sehen.