Verklebte Faszien: Die verborgenen Blockaden in Ihrem Körper - diese Methode hilft

Was sind Faszien und warum spielen sie eine so wichtige Rolle in der Physiotherapie?

Faszien sind das Binde-oder Verbindungsgewebe in unserem Körper. Das Interesse an den Faszien hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, sowohl auf wissenschaftlicher Ebene als auch in der breiten Öffentlichkeit. Der wichtigste Grund für das gewachsene Interesse an den Faszien ist der Umstand, dass moderne Messverfahren in der Bindegewebsforschung einige hochinteressante Eigenschaften des faszialen Gewebes ans Licht gebracht haben.

Auch die Fascia Research Group an der TU München wurde von der internationalen Aufbruchsstimmung auf diesem neuen interdisziplinären Forschungsfeld ergriffen und hat von Anfang an mit den aktuellsten Trends, Fragestellungen, aber auch Überraschungen hautnah konfrontiert zu sein.

Eine der spannendsten Entdeckungen der letzten Jahre ist zum Beispiel die Erkenntnis, dass Faszien in hohem Maße mit sensiblen Nervenendigungen besiedelt sind und so auch Schmerzen generieren können. Da erscheint der Rückenschmerz in einem ganz anderen Licht. Nicht nur Schmerzen, auch ein Großteil der Bewegungseinschränkungen haben oft ursächlich mit den Faszien zu tun. Faszien können durch Bewegungsmangel oder bei körperlicher Überlastung verkleben und verfilzen.

Gabriele Kiesling, Physiotherapeutin und Osteopathin, ist Expertin für verständliche Übungsliteratur. Ihre Übungsmethodik wurde in Studien bestätigt. Sie setzt sich für qualifizierte Physiotherapie ein und entwickelte innovative Konzepte zur Qualitätssicherung. 1980 Mitgründerin des IFK, leitet sie heute das deutsche Institut für Qualität in der Physiotherapie (diqp). Sie ist Pionierin der Faszien-Physiotherapie und weiterhin in eigener Praxis in Berlin tätig. Auf Ihrem YouTube Kanal finden Sie wertvolle Tipps und Übungen für einen schmerzfreien Alltag.

 

Heute ist zudem klar, dass Faszien bei der muskulären Kraftübertragung eine weit größere Rolle spielen als früher angenommen und dass sie sich – dank ihrer glattmuskelähnlichen Zellen – selbst aktiv zusammenziehen können.

Relativ neu ist auch die Erkenntnis, dass Faszien und Propriozeption – unser sechster Sinn – sehr eng miteinander zusammenhängen. Für die Wahrnehmung unseres Körpers scheinen die Faszien mit ihren mehr als 250 Millionen Rezeptoren tatsächlich die wichtigste Empfindungsquelle zu sein.

Daher ist das Wissen um die Fasziengesundheit elementar für eine wirksame Physiotherapie.

Wie hängen Faszien mit unserem 6. Sinn zusammen und welche Forschungen hat Robert Schleip dazu durchgeführt?

Prof. Robert Schleip ist Humanbiologe, international renommierter Faszienforscher und hat den Begriff des 6.Sinnes geprägt. Die bekannten fünf Sinne werden durch diese Art der Wahrnehmung ergänzt. Es handelt sich hier um die tiefe Körperwahrnehmung, die auch die Emotionen miteinbezieht.Das bedeutet beispielsweise ein Hohlkreuz von innen wahrzunehmen; anstatt es vor einem Spiegel mit den Augen zu erkennen. Diese Fähigkeit, die Dreidimensionalität einer Haltung oder Bewegung zu erkennen, lässt natürlich den Erfolg gezielter Faszien-Physiotherapie verbessern.

An der TU München finden sich unter der Federführung von Prof. Schleip alljährliche Kongresse mit anderen internationalen Faszienforschern statt. Zu den wichtigsten Aussagen zählen:

Unser Körper ist wie ein Taucheranzug ganz und gar von Faszien umhüllt, aber auch von ihnen durchzogen. Mit einer Dicke von 0,3 bis 3 Millimetern durchziehen und umhüllen sie unser Gehirn, unsere Organe, unsere Muskeln und unsere Knochen. Selbst jede einzelne Zelle unseres Körpers hat fasziale Anteile. Insgesamt machen sie beim Erwachsenen ein Gewicht von rund 20 Kilogramm aus – etwa ein Drittel seines Körpergewichts.

Dieses Binde- oder Verbindungsgewebe besteht unter anderem aus kollagenen, festen Anteilen und elastischen, saftigen Strukturen. Alle diese Strukturen arbeiten in einem dreidimensionalen System zusammen, so dass der französische Chirurg und Faszienforscher Jean-Claude Guimberteau von der „Architektur“ des menschlichen Fasziengewebes spricht. Ihm sind wunderbare endoskopische Videoansichten der Faszien im menschlichen Körper zu verdanken.

Professor Carla Stecco veröffentlichte 2016 den ersten wichtigen Faszienatlas. Diese beiden Arbeiten haben die Beurteilung der Faszien und deren Funktion revolutioniert. Durch ihre neuartigen bildgebenden Verfahren haben sie die Faszien-Anatomie und die Faszien-Bewegungen sichtbar gemacht. Jetzt können wir gewissermaßen unter unsere Haut sehen und genau beobachten, wie unser Fasziengewebe sich bei Druck und Zug verhält und wandelt.

Können Sie erklären, was Wohlweh und Faszienkater bedeuten und wie diese Begriffe in Bezug auf Faszienschmerzen stehen?

Ständig ist vom Muskelkater die Rede, wenn beispielsweise der Rücken schmerzt. Dabei haben Muskeln relativ wenig Schmerzsensoren im Gegensatz zu den Faszien. Gerade die große Rückenfaszie ist Hauptverursacher fieser Rückenschmerzen.

Abbildung: Myofasziale Dehnung der Rückenfaszien

Daher wird in Fachkreisen eher von einem Faszien- als von einem Muskelkater gesprochen. Denn, wie bereits erwähnt sind die Faszien unser 6. Sinn zur Wahrnehmung.

Der Begriff des Wohlwehs wurde von Faszien-Profis gewählt, um den Körper in der Therapie zu beschützen. Wie viele Faszien-Therapien werden auch heute noch mit brutaler Stärke durchgeführt. Viele meiner Patienten berichteten mir von unerträglichen Folgeschmerzen, Hämatomen und Angst vor der nächsten Behandlung bei solchen Anwendern. Auf der Schmerzskala von 0-10 bleibt der Wohlwehschmerz unterschwellig bei 3, maximal 4. Er ist also spürbar, aber durchaus annehmbar.

"Rücken – schmerzfrei in 30 Tagen: Mit über 100 Übungen gegen akute und chronische Beschwerden" von Gabriele Kiesling

 

Schon 1899 hatte der Gründer der Osteopathie Andrew Still erkannt: “Wenn man mit den Faszien arbeitet, behandelt man die Zweigstellen des Gehirns, und nach den allgemeinen Geschäftsregeln haben die Zweigstellen gewöhnlich die gleichen Eigenschaften wie die Zentrale. Also warum sollte man die Faszien nicht mit dem gleichen Respekt behandeln wie das Gehirn selbst?

An dieser grundsätzlichen Erkenntnis hat sich bis heute nichts geändert. Wenn wir den Körper mit den Händen berühren oder uns gezielt bewegen, wird unmittelbar ein Feuerwerk von Reaktionen ausgelöst.

Viele davon laufen über das Rückenmark und das Gehirn (Zentrale) ab. Dort werden sie exakt bewertet und dort wird eine passende Antwort gefunden. Durch eine sorgfältige und gezielte Auswahl der Behandlungen und Übungen bewegt sich dann der Physiotherapeut auf dem richtigen Weg zur Heilung und Gesundheit.

Können Sie uns mehr über die emotionalen Aspekte von Faszienschmerzen erzählen und wie Verklebungen behandelt werden können?

Faszienschmerzen werden in der Annahme als „fies“, „hinterhältig“ oder „gemein“ beschrieben. Sie schmerzen ganz anders als beispielsweise der Arthrose-oder der Osteoporoseschmerz. Diese werden unemotional mit „dumpf“ oder „bohrend“ beschrieben, also gewisserweise sachlicher und weniger emotional benannt.

Um fasziale Verklebungen wieder zu lösen hat sich die von mir entwickelte Myofasziale Therapie bewährt. Die Methode gilt als sanft und zielt darauf ab die selbstregulierenden Kräfte zu mobilisieren und wiederzubeleben.

Hauptmerkmale sind Berührungen.
Sie schafft Nähe und Vertrauen und schüttet das Hormon Oxytocin aus.

Sensorische Bewegung ähnelt den Herangehensweisen des Unwindings in der Funktionellen Osteopathie

Feinfühlige manuelle Begleitung
Beginnende Dysfunktionen können über propriozeptive Erfahrung neutralisiert werden.

Achtsamkeit (sogenannte Perzeptive Pädagogik) unterscheiden diese Methode etwa von den rein manualtherapeutischen Verfahren.

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