"Impfungen sind Eckpfeiler der modernen Medizin"

Die Impfstoffentwicklung hat in den letzten Jahren riesige Schritte gemacht. Wie verändern moderne Impfstoffe unser Leben?

Die Digitalisierung verändert auch Medizin und Versorgung fundamental. Neue Impfstoffe und Arzneimittel können wir so heute deutlich schneller entwickeln als noch vor zehn Jahren. Das hilft uns, die Schutzbedürftigsten in unserer Gesellschaft noch besser zu schützen. Ein Beispiel: Vakzine gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Bis zuletzt gehörte dieses zu den wenigen bedeutenden Atemwegsviren, für die keine aktive Immunisierung existierte. Vor zwei Jahren sorgte eine massive RSV-Welle dafür, dass viele Kinder stationär behandelt wurden und Kliniken an ihre Grenzen stießen. Solche Szenarien können wir zukünftig vermeiden. 

Aber auch bewährte Impfstoffe werden stetig weiterentwickelt und angepasst. So wird z. B. die Zusammensetzung des Grippeimpfstoffes jährlich verändert, da in jeder Saison andere Virusvarianten kursieren. Im Bereich der Pneumokokken können moderne Konjugatimpfstoffe die Immunantwort verbessern und einen breiten Schutz vor verschiedenen Pneumokokkenarten bieten. Somit können durch den Erreger ausgelöste Erkrankungen wie Lungen- und Hirnhautentzündungen effektiv verhindert werden. 


Wird das Potenzial moderner Impfstoffe denn auch genutzt? Wie steht es um die Impfquoten in Deutschland?

Bei Kindern und Jugendlichen sind die Impfquoten für die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Standardimpfungen grundsätzlich gut. Aber da ist durchaus Luft nach oben: Laut Robert Koch-Institut (RKI) werden viele Kinder und Jugendliche oft zu spät oder nicht vollständig geimpft. 

Und bei den Erwachsenen sieht es nicht besser aus. Hier liegen die Quoten für die meisten Routineimpfungen bei unter 50 Prozent. Das liegt nicht unbedingt an einer Impfskepsis oder -müdigkeit. Im Gegenteil: Die Impfbereitschaft ist größer als angenommen. Doch viele Menschen wissen nicht, dass sie Anspruch auf bestimmte Impfungen haben und auch die Terminvereinbarung ist oft mit Aufwand oder Schwierigkeiten verbunden. 


Welche Folgen haben die bestehenden Impflücken?

In vielen Fällen gilt: Impfungen können Leben retten. Nach Schätzungen der EU-Kommission verhindern saisonale Grippeschutzimpfungen schon jetzt jährlich bis zu 37.000 Todesfälle in der EU. Auch Lungenentzündungen durch Pneumokokken zählen zu den häufigsten Todesursachen, die durch rechtzeitige und vollständige Impfung vermieden werden könnten. Gleichzeitig würde unser Gesundheitssystem durch weniger Krankenhausaufenthalte und Behandlungen entlastet werden. 

Nicht zuletzt ist Prävention auch ein Wirtschaftsfaktor. Denn Atemwegserkrankungen sind hauptverantwortlich für Fehlzeiten am Arbeitsplatz. Schon im August dieses Jahres wurde ein neuer Höchststand bei Krankschreibungen erreicht – noch vor der Erkältungswelle im Herbst und Winter. Bereits 2023 wäre die Wirtschaft ohne die überdurchschnittlich vielen Krankentage wohl um ca. 0,5 Prozent gewachsen – der hohe Krankenstand hat also durchaus einen Anteil daran, dass Deutschland in die Rezession gerutscht ist. 


Wie schaffen wir es, hier besser zu werden?

Wir brauchen ein Umdenken im Gesundheitswesen! Derzeit konzentrieren wir uns noch zu sehr auf Heilung und zu wenig auf Prävention. Die Vorsorge muss dabei einfach, verständlich und zugänglich sein. Niedrigschwellige Angebote wie Impfungen in Apotheken können z. B. dazu beitragen, bestehende Impflücken zu schließen. Die Apotheker:innen haben die nötige Kompetenz und genießen hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Apotheken sind zudem gut erreichbar und können oft ohne Termin besucht werden – eine optimale Ergänzung zum Impfangebot durch ärztliche Praxen. 

Und auch die Digitalisierung bietet hier Chancen: Elektronische Impfpässe mit Erinnerungsfunktion können dafür sorgen, dass Impfungen nachgeholt, abgeschlossen oder Auffrischungen wahrgenommen werden. Für eine gesündere Zukunft kommt es letztlich darauf an, dass wir gemeinsam – Politik, Gesundheitswesen und Gesellschaft – der Prävention dauerhaft einen hohen Stellenwert einräumen.